Stelldichein der Rechten

geschrieben von Janka Kluge

24. Oktober 2020

Die Querdenken-Demo am 1. August in Berlin

Die Stuttgarter Gruppe »Querdenken 711« hatte zu der Demonstration am 1. August in Berlin aufgerufen und rund 15.000 Menschen kamen. »Querdenken« wurde von dem IT–Unternehmer Michael Ballweg gegründet. Bereits bei den ersten Demonstrationen und Kundgebungen war auffällig, dass Ballweg keine Berührungsängste gegenüber Rechten hat. Er distanziert sich zwar immer wieder bei seinen Reden auf der Bühne und behauptet, dass die Bewegung »Querdenken« weder rechts noch links sei. Er kann aber von linker Seite keinen Beifall erwarten, wenn von der Bühne aus behauptet wird, dass »Merkel die größte Verbrecherin seit Hitler« ist. Ebenso gilt das für die Aussage, dass »Bill Gates zusammen mit George Soros« die Menschheit unterjochen will und deswegen Zwangsimpfungen plant. Nachdem Ballweg von Ken Jebsen, einem ehemaligen rbb-Moderator, zum Vorbild ernannt und die Initiative »Querdenken« als wegweisend bezeichnet wurde, schießen in ganz Deutschland Ortsgruppen von »Querdenken« aus dem Boden. Mittlerweile sollen es über 150 sein. Als Dank durfte Jebsen bei einer Kundgebung in Stuttgart sprechen.

Bereits dort hat sich abgezeichnet, was später auch in Berlin deutlich wurde. Reichsbürger demonstrieren zusammen mit Mitgliedern der AfD, der rechten Scheingewerkschaft Zentrum Automobil und Fußball-Hooligans. Außerdem waren von Anfang an Anhänger verschiedenster esoterischer und religiöser Richtungen mit dabei. Bei der Mischung ist nicht verwunderlich, dass antisemitische Hetze ein fester Bestandteil der Kundgebungen ist. Bei der Demonstration am 1. August in Berlin ist Ballweg ein weiterer Schulterschluss gelungen. Die Pegida-Demonstranten von Dresden und Leipzig gingen zusammen mit den Gruppen aus Süddeutschland auf die Straße.

Auch Youtuber sind dabei

Auf der Bühne war Oliver Janich zugeschaltet. Janich ist ein Youtuber mit über 150.000 Abonnenten, die regelmäßig seine Kurzfilme anschauen. In den Videos hat er mehrfach dem Mannheimer Sänger Xavier Naidoo eine Plattform geboten. Naidoo ist davon überzeugt, dass die Elite in geheimen Gefängnissen Kinder gefangen hält und von ihrem Blut trinkt, um jung zu bleiben (eine beliebte Verschwörungstheorie, nicht nur in Deutschland). Sowohl Janich, als auch Naidoo sind Anhänger der sogenannten QAnon-Gruppen, die Verschwörungstheorien mit teilweise rechtsextremem Hintergrund verbreiten. Friedemann Mack, Moderator bei Querdenker-Kundgebungen, hat den QAnon-Leitspruch  »Where we go one, we go all« von der Bühne verkündet.

Auf dem Podium in Berlin war auch der Pressesprecher von »Querdenken 711«, Stephan Bergmann. Wenn er nicht für Ballweg arbeitet, ist er Trance-Coach und Trommelbauer. Für ihn sind die Mitglieder der sogenannten Identitären Bewegung nette junge Menschen. Er hat sich im Vorfeld mit Martin Sellner von der IB getroffen und ihn aufgefordert, die Identitären sollten sich den Demonstrationen anschließen. Bergmann geht davon aus, dass das deutsche Volk ausgelöscht und eine neue Rasse gezüchtet werden soll. Herzlich begrüßt wurde auch Nicolai Nerling. Der selbsternannte »Volkslehrer« gilt als ein rechtsextremer und antisemitischer Videoblogger. Um das Gruselkabinett voll zu machen, wurde auch Heiko Schrang eingeladen. Schrang ist mit seinen esoterischen, antisemitischen Videos ebenfalls ein Star in der rechten Szene.

Das Gemeinsame

Bei so vielen unterschiedlichen Gruppen stellt sich die Frage, was sie zusammenbringt. Sie gehen alle davon aus, dass wir gerade in einer Diktatur leben. Sie träumen davon, dass die Regierung oder der Bundestag zurücktreten. In der Frage, was dann kommt, sind sie sich uneinig. Die einen fordern Neuwahlen und sind ganz sicher, dass die alten Parteien nicht mehr gewählt werden. Die anderen sagen, dass Wahlen unnötig sind und alle Politiker eingesperrt werden sollen. Die Universitäten müssten geschlossen und alle Journalisten vor ein neu zu schaffendes Gericht gestellt werden.

Journalisten, die sich kritisch mit den Rechten beschäftigen, sind vielen eh ein Dorn im Auge und der Begriff der Lügenpresse kommt ihnen leicht über die Lippen. Da wundert es nicht, dass auf der Internetseite von »Querdenken 711« ein Formular ist, mit dem sich Journalisten, die über die Kundgebung Ende August in Berlin berichten wollen, anmelden sollen. Gefordert wird, eine Erklärung zu unterschreiben, in der es zum Schluss heißt: »Ich (Name) bin mir bewusst, dass ich als Journalist eine hohe Verantwortung habe, da ich durch meine Arbeit einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger habe. Ich verpflichte mich hiermit, wahrheitsgemäß, unparteiisch und vollständig zu berichten.«

Trotz der Lockerung der Corona-Beschränkungen, scheinen die Corona-Leugner zusammen mit ihren rechten Partnern weiter an Fahrt zu gewinnen.

Auch am 29./30. August demonstrierten auf mehreren Versammlungen in Berlin wieder rund 40.000 Menschen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Ein Verbot wurde kurz vorher durch das Verwaltungsgericht gekippt. ebenso erlaubt wurde ein 14tägiges Camp. 200 Neonazis stürmten am Rande mit schwarz-weiß-roten Fahnen und anderen Nazisymbolen die Treppe zum Reichstag.