Ausweitung der Kampfzone

geschrieben von Christian Meyer

21. Januar 2021

20 Jahre Institut für Staatspolitik

Unter dem Eindruck der Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht entstand 1999 die Idee zur Gründung einer rechten Denkfabrik – des »Instituts für Staatspolitik«  (IfS). Die durch die Schau losgetretenen Diskussionen wurden als linker Erfolg im sogenannten vorpolitischen Raum und als »institutionalisierte politische Beeinflussung der Öffentlichkeit« erkannt. Das wollte man künftig auch von rechts machen. Der vermessene Anspruch, ein »Reemtsma-Institut von rechts« zu gründen, ist gescheitert. Trotzdem erfüllt das IfS viele der Aufgaben, die man sich vorgenommen hatte: Vernetzung, Information und Orientierung, »Einfluss auf die Köpfe«. Dieses Zitat stammt von Karlheinz Weißmann. Er gilt als eigentlicher Initiator und ideologischer Kopf, während Götz Kubitschek die Idee zur Institutsgründung praktisch vorantrieb, weiß Ernst Kovahl über die Gründer im neuen Band zu berichten. Das IfS besteht seit 20 Jahren und ist heute als neurechter Think Tank durchaus ernstzunehmen – auch weil sein Einfluss mit den Wahlerfolgen der Alternative für Deutschland steigt.

Faktensammlung

Dem antifaschistischen Magazin der rechte rand (drr) war dies Anlass, »der Trutzburg gegen eine offene Gesellschaft« einen Sammelband zu widmen. Die allermeisten Beiträge stammen von Journalist_innen, die das IfS von einer antifaschistischen und linken Warte aus betrachten. Mal mehr Recherche, mal mehr Analyse, sind die Artikel meist sehr konkret. Das Buch zeigt, was das IfS ist, indem es Aktivitäten auflistet: Die Zeitschrift Sezession, der Antaios-Verlag, die Sommer- und Winterakademien; ferner Kollegs, die sogenannten Zwischentage oder die rassistische Vernetzungs-initiative »Ein Prozent«.

Das IfS. Faschist*innen des 21. Jahrhunderts. Einblicke in 20 Jahre »Institut für Staatspolitik«, der rechte rand (Hrsg.), 2020, VSA, 184 Seiten, 12,80 Euro

Das IfS. Faschist*innen des 21. Jahrhunderts. Einblicke in 20 Jahre »Institut für Staatspolitik«, der rechte rand (Hrsg.), 2020, VSA, 184 Seiten, 12,80 Euro

Das antifaschistische Lesebuch versammelt 31 Artikel zu relevanten Projekten und Protagonist_innen des IfS. Fünf Texte sind neu  – alle anderen waren bereits in drr zu lesen. Sie gehen bis vor die Gründung des IfS zurück und belegen eindrucksvoll die wachsame Arbeit des antifaschistischen Magazins. Dort hatte man das Spektrum der Neuen Rechten schon im Visier, bevor überall Gruselgeschichten aus Schnellroda (Sitz des IfS in Sachsen-Anhalt) zu lesen waren. Der älteste Text stammt aus dem Jahr 1999 und ist von Raimund Hethey. Er porträtiert den Geschichtslehrer, Geschichtsrevisionisten und späteren Spiritus Rector des Instituts, Karheinz Weißmann. Im jüngsten Text (Frühjahr 2020) stellt Stephanie Heide die beiden wichtigsten Frauen im IfS-Kosmos vor: Ellen Kositza und Carolin Sommerfeld-Lethen haben sich auf Literaturkritik und Antifeminismus spezialisiert.

Einige Themen tauchen in den chronologisch angeordneten Artikeln immer wieder auf. Das Verständnis von Konservatismus im neurechten Milieu ist so ein Thema. »Ich winsle nicht, ich sei ein Konservativer, der die Grundwerte hochhalte. Diese Haltung finde ich zum kotzen.« Das Zitat stammt von Armin Mohler, der keinen demütigen Konservatismus wollte und den Liberalismus als Hauptfeind ausmachte. Er prägte auch den widersprüchlichen Begriff der »Konservativen Revolution«. Der  Antaios-Verlag bemüht sich folgerichtig mit Bildung eines rechten Theorie- und Literaturkanons darum, Konservatismus wieder zum Kampfbegriff zu machen.  Inzwischen hat sich die Traditionslinie des Mohlerschen Jungkonservatismus aufgespalten. Der seit 2012 andauernde Konflikt zwischen IfS und der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) eskalierte an der Haltung gegenüber der AfD. JF und Weißmann (der das IfS 2014 verließ) favorisieren eine pragmatische, realpolitische Partei rechts der Union. Kubitschek und sein IfS sind hingegen von Anfang an eng verbunden mit Björn Höckes Flügel und halten am »metapolitischen Maximalziel« fest. Die Hoffnung, mit der AfD die Erweiterung der Kampfzone aus dem vorpolitischen Raum voranzutreiben, teilen JF und IfS.Der Staat ist trotz der Namensgebung des Think Tanks nur am Rande Thema der Artikel. Wichtiger ist ihnen – und so scheint es, auch dem IfS – die Verbindung zu rechtem Aktivismus (Identitäre Bewegung, PEGIDA) und die Bildungsarbeit. Drei Artikel widmen sich den Akademien in Schnellroda. Grundlagentexte, die eine Genealogie der neuen Rechten und ihr ideologisches Koordinatensystem vorstellen, sind vor allem »Ahnenreihe« (Volker Weiß) und »Rechts von ganzem Wesen« (Andreas Speit). Auch warum man nicht mit Rechten reden sollte, erklärt Speit in einem prägnanten Text.

Nutzbar mit Einschränkungen

Ein Namensregister macht das Buch als Recherchewerkzeug nutzbar. Leider sind Institutionen und Publikationen ebenso wenig nachschlagbar wie wichtige Stichworte. Auf eine Reihe neurechter Bücher wird immer wieder verwiesen, schon allein deshalb wäre eine kleine Bibliographie am Ende schön gewesen. Dort hätte man dann auch auf weiterführende, kritische Literatur verweisen können. Das vorliegende Buch wird fürs erste die einschlägige Publikation für Antifaschist_innen sein, die sich mit dem IfS befassen wollen. Dazu ist es gut geeignet und bietet deutlich mehr als einen bloßen Einstieg ins Thema. Mit ganzseitigen Bildern ist es dazu ansprechend gestaltet. Doch man merkt dem Band deutlich an, dass es sich um eine Zusammenstellung von Zeitschriftenartikeln handelt und keine systematisch geordnete Darstellung des Phänomens ist. Wie der Titel sagt, sind es »Einblicke«.