Engagiert bis zuletzt
21. Januar 2021
Erinnerung an Dore Meyer-Vax
Das Motto sowie das Titelbild von Katalog und Einladungskarte zur Nürnberger Ausstellung der Werke von Dore Meyer-Vax in der städtischen »Kunstvilla« sind brandaktuell: Eine dunkelhäutige Frau, porträtiert in klaren Konturen, blickt den Betrachter*innen resolut und markant in die Augen. Die Assoziation zu »Black Lives Matter« ist naheliegend. Manch Ältere erinnern sich beim näheren Hinsehen aber auch ganz konkret: »Freiheit für Angela Davis!«
Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt aus einem Linolschnitt von Dore Meyer-Vax. 1972 ist dieser im Rahmen der damals weltweiten Kampagne zur Rettung der US-Bürgerrechtlerin vor der drohenden Todesstrafe entstanden. Die Proteste waren erfolgreich, Angela Davis musste freigelassen werden. Einfach und treffend auch deshalb der mit diesem Bild präsentierte Ausstellungstitel: »Dore Meyer-Vax. Engagierte Kunst«. Mit der Sonderschau will das Haus an die vor 40 Jahren verstorbene Künstlerin erinnern.
Rückblick
»Im Sinne der Wahrheit und damit des Guten« war Anfang 1981 der Nachruf des Kunsthistorikers und Galeristen Dr. Richard Hiepe überschrieben: »Die Künstlerin gehörte zu den profilierten Persönlichkeiten beim Neuaufbau einer demokratischen Kunst nach 1945 in der BRD. (…) In vielen Gemälden und in ihrem umfangreichen grafischen Werk trat sie ein für ihre antifaschistischen und humanistischen Überzeugungen.«
Hiepes Nachruf stand in den von ihm mitbegründeten tendenzen. Die 1960 erstmals erschienene Publikation nannte sich im Untertitel zuerst »Blätter…« später »Zeitschrift für engagierte Kunst«. Dore Meyer-Vax, 1908 in Nürnberg geboren und vor 1933 Kunststudentin sowie Schülerin des Malers Karl Hofer in Berlin, gehörte zum Umfeld dieser Publikation und der vom Augsburger Maler und Grafiker Carlo Schellemann bereits vorher ins Leben gerufenen Künstlergruppe »tendenz«. Dieser wiederum war Ende der 50er Jahre mit Hiepe auch ein Initiator der Wanderausstellung »Künstler gegen Atomkrieg« mit internationaler Beteiligung, zu der auch Meyer-Vax mit Bildern beitrug.
Befreundet mit Dore und ihrem Mann Walter Meyer-Vax – auch er bildender Künstler und Hofer-Schüler – war während des gemeinsamen Studiums in Berlin der 1944 in Auschwitz ermordete jüdische Künstler Felix Nussbaum. Auf dessen satirischem Wimmelbild »Der tolle Platz« aus dem Jahr 1931 sind Dore und Walter bei den gegen die »Akademiefürsten« protestierenden jüngeren Künstlern zu sehen. Bis zum Ende der 1930er Jahre können die beiden mit Nussbaum in dessen belgischem Exil Kontakt halten. Dann bricht die Verbindung ab. Walter wird eingezogen, in den Krieg geschickt und stirbt vor Stalingrad. Dore kann als zwangsverpflichtete technische Zeichnerin im Transformatorenwerk Nürnberg den Krieg überleben.
Interessenvertreterin
Sie malt und zeichnet während dieser Zeit und danach oft Bilder, die sich mit Faschismus, Krieg und Elend befassen. Mit anderen gründet sie den »Schutzverband Bildender Künstler« (SBK), der ab 1948 Fachgruppe der neu gegründeten »Gewerkschaft der geistig und kulturellen Schaffenden« wird. Diese wird später in unterschiedlichen DGB-Gewerkschaften aufgehen; der »Schutzverband« zuerst in die IG Medien und mit dieser 2001 in die Gewerkschaft ver.di.
»Die Ungemütlichen« hieß 1996/97 in München eine Ausstellung, die sich der Gründergeneration des SBK widmete. Eine dieser »Ungemütlichen« war Dore Meyer-Vax, und sie blieb dies Zeit ihres Lebens. Nicht leicht hatten es spätestens ab 1950 viele in der damaligen BRD aktive Künstler*innen. Sie fühlten sich wie Dore keineswegs einem simplen bildnerischen »Realismus« verpflichtet, sondern sahen sich in der Tradition eines großen Teils der in der NS-Zeit als »Entartete Kunst« verfemten Moderne. Und deshalb wollten sie auf inhaltliche, auch politische Bezüge in ihren Werken nicht verzichten.
Offiziell war jedoch in der BRD-»Kunstmarkt-Kunst« lange Zeit »gegenstandslos« und »abstrakt« als einzig »modern« angesagt. Kritisch-Gegenständliches, Antifaschistisches gar, wurde – nicht nur was DDR-Kunst betraf und zum Teil noch bis heute betrifft – misstrauisch als »sozialistischer Realismus« beäugt.
Ein großes Verdienst des Nürnberger Katalogs: Auch zu solchen Fragen kann dort viel anhand von Biographie und Werk der Künstlerin nachgelesen werden. Die Autorinnen und Autoren, besonders die Leiterin der »Kunstvilla« Andrea Dippel, ordnen die Werke in kunsthistorische Zusammenhänge ein, die inzwischen unter Begriffen wie »verschollene Generation« und »expressiver Realismus« wieder wachsende Beachtung finden. Kategorien, die, entstanden im Lauf der letzten Jahrzehnte bei aller Kritiknotwendigkeit im Detail, doch geholfen haben, dass es zunehmend Möglichkeiten gibt, in Ausstellungen wie dieser solche Kunstwerke ausführlicher betrachten zu können.
Das direkte Betrachten der Ausstellung ist vorerst nicht möglich. Die »Kunstvilla« bleibt noch einige Zeit coronabedingt geschlossen. Allerdings: Der Ausstellungs-Zeitraum wurde inzwischen von den Veranstaltern bis 25. April 2021 verlängert.
Infos: kurzelinks.de/meyer-va