»Entschädigung« der Hohenzollern

geschrieben von Sebastian Schröder

1. April 2021

»Aus rechtlichen Gründen haben wir an dieser Stelle im Text einen Satz gelöscht«

In der Zeit von 1945 bis 1949 wurden in Ostdeutschland durch die sowjetische Verwaltung alle Großgrundbesitzer*innen zur Durchführung der Bodenreform entschädigungslos enteignet (»Junkerland in Bauernhand!«). Direkt nach dem Anschluss der DDR an die BRD wurden von diesen ehemaligen Eigentümer*innen und ihren Nachfahren Entschädigungsansprüche für Immobilien, Möbel, Kunstwerke und andere Wertgegenstände erhoben und durch die BRD bewilligt, etwa zugunsten von »Haus Sachsen-Coburg und Gotha«.

Nicht erfüllt wurden bisher die Entschädigungsforderungen der Hohenzollern, der preußischen Königs- und Kaiserdynastie. Das Land Brandenburg hat die Entschädigung 2015 abgelehnt. Das Verfahren um die von Georg Friedrich Prinz von Preußen 2015 gegen das Land Brandenburg eingereichte Klage wegen der Ablehnung der Entschädigung wurde bis August 2021 ausgesetzt, damit die Verhandlungen fortgesetzt werden können mit dem Ziel einer Einigung ohne Gerichtsverfahren.

Jürgen Aretz, Verhandlungsführer der Familie Hohenzollern, nimmt kein Blatt vor den Mund: »Ich kann offen gestanden nicht nachvollziehen, dass es auf der staatlichen Seite nicht bei allen Beteiligten ein ausreichendes Engagement für eine umfassende gütliche Einigung zu geben scheint. Man weiß doch, dass der Ausgang des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Potsdam mit einem hohen Prozessrisiko für die staatliche Seite verbunden ist. Selbst wenn dieses Verfahren für sie nach vielen Jahren günstig ausgehen würde – was ich nicht erwarte – bliebe die eigentlich zentrale Frage unbeantwortet: Wie würde der Prinz von Preußen in diesem Fall über die Stücke verfügen, die unzweifelhaft in seinem Eigentum stehen – und das sind bei der für die Museen günstigsten Auslegung mindestens 70 Prozent. Kluge und verantwortungsbewusste Politik müsste, wenn Sie so wollen, sehr rasch auf die Entspannungssignale des Prinzen von Preußen eingehen. Ihm ist immer noch an einer umfassenden gütlichen Einigung gelegen« (Quelle: -kurzelinks.de/aa9p).

Im Fall eines Gerichtsverfahrens ist eine Entschädigung laut Gesetz nur zulässig, wenn dem Nazisystem nicht »erheblich Vorschub« geleistet wurde. Muss diese Unwürdigkeitsklausel auf Kronprinz Wilhelm (1882–1951) angewendet werden?

»Schon 1926 empfing er den gerade aus der Landsberger Haft entlassenen Hitler im Schloss Cecilienhof. Sechs Jahre später, im Vorfeld der Reichspräsidentenwahl von 1932, sondierte der Kronprinz im Gespräch mit Hitler die Möglichkeit, sich zum Reichspräsidenten wählen zu lassen und Hitler dann zum Reichskanzler zu ernennen. Als das nicht funktionierte, unterstützte er Hitler als Kandidat bei der Präsidentenwahl (…) und brüstete sich dann damit, Hitler enorme Stimmengewinne verschafft zu haben. Fast gleichzeitig setzte er sich für eine Aufhebung des in Preußen verhängten Verbots von SA und SS ein. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme trugen der Kronprinz und andere Angehörige der Familie durch ihre Anwesenheit beim ›Tag von Potsdam‹ am 21. März 1933 dazu bei, den Schulterschluss zwischen Konservativen und Nationalsozialisten öffentlich zu inszenieren. Für die Zustimmung von Adeligen, Konservativen und Monarchisten zum Nationalsozialismus war gerade dieser Auftritt in der Garnisonkirche – an den Särgen der Preußenkönige und vor dem leeren Thron des Kaisers – von kaum zu unterschätzender Bedeutung«, schreibt Eckart Conze in seinem Buch »Schatten des Kaiserreichs«.

Das Bekanntwerden der vertraulichen Verhandlungen, der Forderungen von Georg Friedrich Prinz von Preußen und von vier Historikergutachten hat seit 2019 zu einer Debatte geführt, in deren Zentrum die Mitwirkung der Kaiserfamilie an der Stärkung, Durchsetzung und Stabilisierung des deutschen Faschismus steht.

Seitdem wurden über hundert Abmahnungen an Historiker*innen und Journalist*innen durch die Anwält*innen von Georg Friedrich Prinz von Preußen verschickt. Dieses Vorgehen führt in der Öffentlichkeit zu Unglauben, Entsetzen und Wut.

Ein Teil der beanstandeten Aussagen sind vor dem Landgericht Berlin verhandelt und untersagt worden, einige Verfahren sind noch offen. Die neuesten Entscheidungen finden sich auf preussen.de. Und auch unser Bericht über dieses – in der Tradition des Obrigkeitsstaates stehende – Vorgehen ist in Gefahr, Opfer einer Abmahnung durch Georg Friedrich Prinz von Preußen zu werden.

Die erhebliche Vorschubleistung von Kronprinz Wilhelm für den deutschen Faschismus ist durch die Forschung eindeutig belegt, so das einstimmige Fazit von Fachhistoriker*innen im von der Bundestagsfraktion der Grünen veranstalteten Online-Fachgespräch »Keine Sonderrechte für den Adel« am 3. Februar 2021.