Entschwörung der Echsen

geschrieben von Nils Becker

13. April 2021

Interview mit der Anti-Schwurbelaktion zu satirischen Handlungsmöglichkeiten

antifa: Ihr begleitet als Echsenmenschen verkleidet die Demonstrationen der Corona-Leugner*innen und Verschwörungsgläubigen. Damit spielt ihr auf eine populäre Verschwörungstheorie an, die besagt, dass die Regierungen aller Länder durchsetzt sind von reptiloiden Aliens. Warum habt ihr euch für die satirischen Aktionen eine der absurdesten Fantastereien ausgesucht?

Echsen: Reptiloide Weltverschwörung ist ein alter Klassiker bei den sogenannten Verschwörungstheorien und den meisten von uns geläufig. Es geht darum, ihnen die Absurdität ihrer wahnhaften Vorstellungen zur Kontrolle der Welt durch eine geheime Gruppe vor Augen zu halten. Manche sind dafür empfänglich, einige sind es weniger. Für uns steht auch der eigene Spaß im Vordergrund. Und die Kinder der Schwurbler*innen fahren voll auf uns ab.

antifa: Parodien und Satire verfremden und übertreiben die Aussagen der politischen Gegner*innen, um Ideologien zu entlarven und um sich über deren Anhänger*innen lustig zu machen. Damit reiht ihr euch in eine lange linke Tradition ein, die beispielsweise als Front Deutscher Äpfel (FDÄ) oder die Clowns Army auf Demonstrationen präsent ist. Wie gut funktioniert das bei den Corona-Demos?

Echsen: Wir finden, auch antifaschistische Arbeit darf mit einer Portion Humor umgesetzt werden. Wir haben nicht nur Zuspruch dafür bekommen, keine Frage! Wir werden auch ernst genommen und bedroht. Wir leisten damit einen antifaschistischen Beitrag – aber auf anderen Ebenen, mit vielleicht anderen Perspektiven. Wir blockieren auch, eher Termine und Orte und nicht klassisch als Sitzblockaden. Wie gut das im Einzelnen funktioniert, kommt auf unsere gewählte Aktionsform an. Ein Fahrradkorso ist natürlich etwas anderes als eine angemeldete Kundgebung oder Gegendemonstration. Im Großen und Ganzen können wir feststellen, dass wir die Schwurbler*innen nerven, und auch mal zum Nachdenken oder gar in einen direkten Dialog mit uns zwingen.

antifa: In der Bildungsarbeit wird meist auf Selbsterkenntnis gesetzt. Belehrungen und lange Vorträge treffen eher auf Ablehnung. Dem Irrationalismus ist mit Rationalismus nicht beizukommen. Satire kippt hingegen oft in Beleidigungen – ihr bezeichnet das sehr diverse Spektrum einheitlich beispielsweise als »Schwurbler« – und provoziert ebenso starke Abwehr, weil sich die Leute nicht ernst genommen fühlen. Worin unterscheiden sich die Ansätze?

Echsen: Der Begriff Schwurbel ist von uns absichtlich gewählt, wir finden das passt provokativ am besten, um damit alle über einen Kamm zu scheren. Natürlich sind wir uns auch einer nicht wissenschaftlichen Differenzierung in diesem Kontext sehr bewusst. Wir machen auch sehr viel Recherchearbeit und Sensibilisierung für die unterschiedlichen Schwurbel-Akteure. Wir triggern die Schwurbler*innen, manchmal nennen wir sie liebevoll Schwurblies, manchmal knallhart Coronazis, uns ist das bewusst. Wir können in diesem Spannungsfeld trotzdem agieren und unsere Aktionen umsetzen und weiterentwickeln. Wir sind eben die Echsen und nicht die Antifa mit Schuppen, das können die Schwurbler*innen bisher noch nicht genau unterscheiden.

antifa: Ihr habt eine fundierte Kritik an den Prioritäten des Lockdowns und der »autoritären Lawine«. Schafft ihr es über den Umweg der Satire, überhaupt wieder ernst zu werden, um eure Analyse und eure Lösungsvorschläge sichtbar zu machen?

Echsen: Das wird hoffentlich bei den noch kommenden Aktionen von uns – oder sehr gerne gemeinsam mit anderen – deutlicher werden. Das meint, es gibt verschiedene berechtigte Perspektiven der Kritik und nicht die eine richtige, vielleicht können wir dort genau inhaltlich ansetzen und einen Raum dafür geben, dass diese unterschiedlichen Perspektiven gehört und vorgestellt werden. Letztes Jahr hatten wir anfangs auf dem Rosa-Luxemburg-Platz genau dafür einen Raum. Leider hat sich das Schlachtfeld nun auf ganz Deutschland verlagert.

antifa: Was habt ihr noch vor?

Echsen: Unser biologisches Ziel zu erreichen, uns zu vermehren. Nein, Quatsch. Wir machen es wie jeden anderen Tag. Wir werden weiterhin unsere Weltherrschaft verteidigen! Dieses Jahr werden wir eine Partei gründen, überall antiverschwurbelte Siedlungsprojekte starten, und am Ende des »langen Marschs auf Stuttgart« werden wir vor dem Haus des »Querdenken«-Gründers Ballweg stehen.

Die Echsenmenschen stellen sich 
und ihr Konzept auf der Seite 
echs-it.xyz vor: »Wenn Dir jemand komisch vorkommt, ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich um einen Echsenmenschen handelt. Eigentlich wollen wir die Welt beherrschen, aber oft fällt es uns schwer, uns zu beherrschen. Das hier ist kein Spaß: Hier spricht die Loge der Echsenmenschen. Viele von euch werden uns nicht ernst nehmen. Aber das sind wir gewohnt. Unsere Schuppen sind dick, unser Blut ist kalt. Wir sind nicht systemrelevant, wir SIND das System. Oder glaubt ihr plötzlich ernsthaft alle, dass Supermarktkassiererinnen und Krankenschwestern den Laden am laufen halten? Wie wäre es, wenn ihr mal für uns klatschen würdet?«

Das Interview führte Nils Becker