Fehlende Aufmerksamkeit
17. Mai 2021
Zu antifa März/April, »Ein Heldinnenepos«, Seite 29
Von Anne Beaumanoir, der Heldin des mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichneten »Heldinnenepos« von Anne Weber, das in der antifa-Ausgabe von März/April 2021 von Janka Kluge rezensiert wurde, existiert eine kurz zuvor erschienene Autobiographie in deutscher Sprache. Da sie in einem kleinen Verlag erschien, erregte sie leider nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit. Ich empfehle die zwei Bände wärmstens, da sie ein authentischeres und auch genaueres Bild von Anne Beaumanoirs lebensgefährlichem Engagement in der französischen Résistance und im algerischen Unabhängigkeitskampf vermitteln und zudem auch ihre heutigen Einschätzungen darüber enthalten. Teilweise widerspricht die Autobiographie dem Epos, in das Anne Webers eigene Urteile und Empfindungen eingeflossen sind. Verkitscht erscheint mir z. B. im Epos die Reue der Heldin, ihr Familienleben geopfert zu haben. Weil es sich hier um eine Frau handelt? Männlichen Revolutionären wird es so gut wie immer nachgesehen, wenn sie ihre Kinder zurücklassen – was uns freilich zum Nachdenken bringen sollte. Anne Beaumanoir selber schreibt dazu ganz klar, dass sie an der Trennung von ihren Kindern natürlich gelitten habe, und auch ihre Kinder hätten gelitten. Schließlich aber hätten auch ihre Kinder verstanden, dass »ohne diesen Opfermut« kein Engagement an vorderster Front möglich wäre: »Der Kampf an der Seite der Unterdrückten muss sich uns auf absolute, unwiderlegbare Weise aufdrängen, um alle Wagnisse einzugehen, selbst, an seinem Engagement leiden zu müssen«. Das bedeute, auch in Extremsituationen »nicht abzufallen«.
Sabine Kebir, Berlin