Notorische NS-Verharmloser

geschrieben von Andreas Siegmund-Schultze

28. Mai 2021

Zahlreiche Aktionen von Neonazis und Querdenkern am 1. Mai von umfangreichen Protesten begleitet

Bezogen auf die Zahl an Teilnehmer:innen hat das »Querdenken«-Spektrum am 1. Mai der traditionellen Neonaziszene in diesem Jahr den Rang abgelaufen. Bundesweit gingen einige tausend Verharmloser:innen der Pandemie auf die Straße. Die größte Aktion gab es mit rund 1.000 Teilnehmenden in Hannover. Mehrere hundert Menschen versammelten sich zudem trotz Verbots in Weimar vor dem Amtsgericht. Hier wollten sie sich mit einem Richter solidarisieren, der am 8. April in einem – mit allerei Schwurbel-Propaganda versehenen – 180seitigen Urteil die Maskenpflicht zweier Schüler für rechtswidrig erklären wollte.

Ein Verwaltungsgericht hob die Verfügung jedoch später auf und befand den Familienrichter für nicht zuständig. Am Nachmittag kam es in Weimar immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, das Verbot wollten die Beamt:innen dennoch nicht durchsetzen. Teilnehmende waren zynischerweise mit weißen Rosen und Kerzen erschienen, die sie vor dem Amtsgericht und an Gedenkstelen für Buchenwald-Häftlinge ablegten. Auch eine Kundgebung der Thüringer VVN-BdA sei »von Hunderten Coronaleugnern und teilweise Neonazis belagert« worden, so das Weimarer »Bündnis gegen Rechts« per Twitter. Der Organisator der »Querdenken«-Aktion, Ralf Ludwig, nannte die Maßnahmen zur Pandemieeindämmung »Faschismus«. Dem widersprach Jens-Christian Wagner, Direktor der Gedenkstätte Buchenwald: »Ludwig und seine Mitstreiter sind, man kann es nicht anders sagen, notorische NS-Verharmloser.« Auch in Berlin-Lichtenberg versammelten sich rund 200 »Querdenker:innen«. An all diesen Orten erschienen jeweils hunderte Menschen zu Gegendemos. An einem Autokorso von Pandemieverharmloser:innen, der im sächsischen Großschönau endete, beteiligten sich ca. 500 Personen.

Auf Neonaziseite fand die größte Veranstaltung in Erfurt statt. Hier hatte der rechte Verein »Neue Stärke« zu einer Kundgebung am Domplatz aufgerufen. Etwa 200 extreme Rechte erschienen, rund 2.000 Menschen beteiligten sich an antifaschistischen Protesten. Einen weiteren rechten Aufmarsch gab es in Essen, hier versammelten sich circa 180 Anhänger von NPD und Die Rechte. 1.500 Menschen nahmen an Ak­tionen von »Essen stellt sich quer« teil, die Polizei ging teils sehr brutal gegen Antifas vor. Zudem hatte die NPD zu einem Aufmarsch in Greifswald aufgerufen, an dem sich rund 150 Neonazis beteiligten. Diese mussten aufgrund von massiven Protesten etwa nach der Hälfte der geplanten Strecke umkehren. Weitere rechte Aufmärsche und antifaschistische Proteste gab es in Düsseldorf, Dortmund und Siegen. Abermals war besonders Sachsen von Nazi­aktionen betroffen: So versammelten sich rund 50 Anhänger der Partei »Der III. Weg« in Plauen, Gegendemos waren behördlich verboten worden. In Chemnitz mobilisierten die »Freien Sachsen« 150 Rechte. Über den gesamten Tag waren hunderte Antifas an Protesten beteiligt. In Leipzig fiel ein »III. Weg«-Aufmarsch ins Wasser, allerdings beteiligten sich 2.000 Antifaschist:innen an verschiedenen Aktionen. Vereinzelt lieferten sich in Zwickau 25 Neonazis ein »Katz und Maus«-Spiel mit der Polizei, hier war eine rechte Demo verboten worden. Auch in Jena untersagten die Behörden einen Naziaufmarsch, der vom »III. Weg« angemeldet worden war. In Aue erhielten die »Freien Sachsen« eine Verbotsverfügung.