Störpropaganda

3. Juli 2021

Interview über den kreativen Umgang mit Plakaten der Polizei und Bundeswehr

antifa: Die Bundeswehr, aber auch die Polizeien der Länder, betreiben immer mehr eigene Social-media-Kanäle, kommentieren nicht nur ihre eigene Arbeit und werben um Rekrut*innen, sondern greifen gezielt und sehr wirkmächtig in die gesellschaftliche Interpretation ihres Wirkens ein. Eine Reaktion darauf ist das sogenannte Adbusting, das satirische Verändern von Plakaten staatlicher Institutionen. Auch die antifa hatte schon eines davon auf der Rückseite. Was macht ihr, und was ist daran so interessant?

Boris (Berlin Buster’s Social Club): Wir dokumentieren Mythen, Legenden und Geschichten aus der Kommunikationsguerilla, vor allem im öffentlichen Raum. Unter anderem in unserem Adbusting-Buch, das 2020 erschienen ist.

Klaus (Soligruppe Plakativ): Diese Aktionsform ärgert Polizei und Militär sehr. Den autoritären Charakteren vom Landeskriminalamt fällt dann schon mal die Maske vom Gesicht, und sie schreiben für Hausdurchsuchungen und DNA-Analysen als Begründung in den Antrag, dass Adbusting die Bundeswehr »gar lächerlich« macht. Wir machen als Soligruppe Plakativ Antirepressionsarbeit in diesen Fällen und machen das öffentlich.

antifa: Das Terrorabwehrzentrum und der Verfassungsschutz haben sich mit euch beschäftigt. Selbst das rot-rot-grüne Land Berlin findet DNA-Analysen zur Aufklärung von Adbusting gerechtfertigt. Woher kommt das?

Das Buch: Berlin Buster’s Social Club (Hg.): Unerhört! – Adbusting gegen die Gesamtscheiße. Veränderte Werbung als Gesellschaftskritik. Unrast Verlag 2020, 136 Seiten, 14 Euro

Das Buch: Berlin Buster’s Social Club (Hg.): Unerhört! – Adbusting gegen die Gesamtscheiße.
Veränderte Werbung als Gesellschaftskritik. Unrast Verlag 2020, 136 Seiten, 14 Euro

Boris: Der VS Berlin hat 2019 das Kunststück fertiggebracht, linke Adbustings ans Terrorabwehrzentrum GETZ zu melden, während die Behörde zeitgleich Adbustings der »Identitären Bewegung« als »unverfängliche Aktionen« bezeichnete. Also wir finden so ein Spannungsfeld interessant. Im Verfassungsschutzbericht 2019 von Horst Seehofers Heimatmuseum schreiben seine Museumswächter*innen sehr klar, was sie an Adbusting stört: Die Linksextremist*innen versuchen »gezielt, die Polizeibehörden (…) in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Dazu bedienen sie sich (…) auch der Aktionsform des ›Adbustings‹. Dabei verfremden Linksextremisten Werbeplakate der Polizei und anderer Sicherheitsbehörden im öffentlichen Raum, indem sie diese mit Parolen versehen, welche Polizeibeamte oder Angehörige der Sicherheitsbehörden als Verbrecher oder die Polizei als Instrument eines willkürlich agierenden Unrechtsregimes darstellen.« Das Polizeiproblem stört sich also daran, dass das Polizeiproblem in der Öffentlichkeit thematisiert wird.

Klaus: Das mit dem GETZ ist eher tragisch. Das GETZ war 2014 die Antwort des Bundesinnenministeriums auf die Selbstenttarnung des unter Behördenaufsicht mordenden Nazi-Terrornetzwerks NSU. Und in genau dieser Behörde, die sicherstellen sollte, dass so was nie wieder passiert, ärgern die sich regelmäßig über beklebte Werbeplakate.

Boris: Die Grünen fordern übrigens den Ausbau des GETZ, weil es so super gegen Naziterror und institutionellen Rassismus hilft, wenn man Leute aus 40 institutionell rassistischen Behörden in einen Raum sperrt.

antifa: Bekannt geworden seid ihr vor allem durch die Reaktionen der Justiz auf eure Aktionen.

Klaus: Schön wär’s. Klar, bei Netzpolitik.org und Peng-Kollektiv reden die gerne vom »Streisand-Effekt«. Der beschreibt, wie sich der plumpe Versuch, unliebsame Informationen zu unterdrücken, ins Gegenteil verkehrt und mehr öffentliche Aufmerksamkeit generiert. Leider war das harte Arbeit, und ohne das Engagement einzelner Journalist*innen, die die Tragweite des Skandals sehr früh erkannten, wäre das nicht passiert. Der Spiegel, Frankfurter Rundschau und fast auch die Süddeutsche haben den Geheimdienstskandal ums GETZ verschlafen. Und auch linke Medien berichten häufig erst, wenn man schon bei ZDF-»heute« war.

Boris: In Berlin ist es grad relativ chillig. Das LKA dreht zwar mehr denn je vom Teller und ermittelt völlig haltlos wegen »Störpropaganda gegen die Bundeswehr«. Aber im Mai 2020 hat die Staatsanwaltschaft immerhin klargestellt, dass es o. k. ist, eigene Poster in Werbevitrinen zu hängen, wenn man nix kaputt macht oder klaut. Und dass Hausdurchsuchungen deswegen nicht o. k. sind. Den Beschluss hat eine Adbusting-Gruppe zusammen mit einem rotzfrechen Schreiben auch an alle Polizeidienststellen geschickt. Deshalb fordert die GdP jetzt Gesetzesverschärfungen.

antifa: Ihr seid mit eurer Beschwerde gegen eine Hausdurchsuchung bis vors Verfassungsgericht gezogen. Was erhofft ihr euch?

Klaus: Das wird superlustig, falls man beim nächsten Mal die Cops von der Adbusting-Abteilung als Einbrecher*innen beschimpfen darf.

Boris: Die Bezeichnung »Rechtsbrecher*in« finden sie jetzt schon nicht gut. Das verletzt sie angeblich in ihrer Ehre, weil es sie mit »Straftätern« gleichsetzen würde. Dabei ist doch klar: Straftäter*innen sind Leute, die fürs Recht brechen Konsequenzen bekommen. Und dass genau das nicht stattfindet, ist ja ein Teil des #Polizeiproblems.

Die Gruppe Plakativ verändert Plakate politischer Institutionen sowie Parteien und gibt den Selbstbeschreibungen durch kleinere Eingriffe eine neue Bedeutung. Weitere Informationen zur Gruppe und Tipps zum kreativen Protest unterplakativ.blackblogs.org

Das Interview führte Nils Becker