Bodenpolitik der Zukunft

geschrieben von Janka Kluge

8. September 2021

Hitlers koloniale Vorstellungen richteten sich gen Osten

»Wir fordern Land und Boden (Kolonien) zur Ernährung unseres Volkes und Ansiedlung unseres Bevölkerungs-Überschusses«, heißt es bereits im 25-Punkte-Programm der NSDAP aus dem Jahr 1920. Die Forderung nach Kolonien stellten in der Weimarer Republik mehrere konservative Vereine und Parteien. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg waren dem Deutschen Reich die Kolonien aberkannt worden.

Der amerikanische Diplomat W. R. Castle notierte 1922 über ein Gespräch mit dem Industriellen Hugo Stinnes: »Die Vision von Stinnes reicht weit. Er sieht, wie der Weg gen Osten sich wieder öffnet, das Verschwinden von Polen, die deutsche wirtschaftliche Ausbeutung von Russland und Italien. Seine Absicht ist friedlich und auf Wiederaufbau gerichtet. Wird sie nicht vielleicht doch zu einem neuen Krieg führen, falls wir und der Rest der Welt nicht gewillt sind, uns unter die deutsche Oberherrschaft zu begeben?« Stinnes war damit einer der ersten, die nach dem Ersten Weltkrieg erneut die politische Ausrichtung nach Osten vollzogen.

Hitler formulierte in seinem in der Haft 1923/24 entstandenen Buch »Mein Kampf« ähnlich. »Demgegenüber müssen wir Nationalsozialisten unverrückbar an unserem außenpolitischen Ziel festhalten, nämlich dem deutschen Volk den ihm gebührenden Grund und Boden auf dieser Erde zu sichern. (…) Damit ziehen wir Nationalsozialisten bewusst einen Strich unter die außenpolitische Richtung unserer Vorkriegszeit. Wir setzen dort an, wo man vor sechs Jahrhunderten endete. Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach Süden und Westen Europas und weisen den Blick nach dem Land im Osten. Wir schließen endlich ab die Kolonial- und Handelspolitik der Vorkriegszeit und gehen über zur Bodenpolitik der Zukunft. Wenn wir heute in Europa von neuem Grund und Boden reden, können wir in erster Linie nur an Russland und die ihm untertanen Randstaaten denken.«

Zum Weiterlesen: Volker Koop: Hitlers Griff nach Afrika – Kolonialpolitik im Dritten Reich. Dietz-Verlag, Bonn 2018, 214 Seiten, 24 Euro

Zum Weiterlesen: Volker Koop: Hitlers Griff nach Afrika – Kolonialpolitik im Dritten Reich. Dietz-Verlag, Bonn 2018, 214 Seiten, 24 Euro

Die Rückeroberung der hauptsächlich in Afrika liegenden ehemaligen Kolonien wurde nach außen hin aus strategischen Gründen nicht gefordert. Hitler wollte erst mal die Auseinandersetzung mit England vermeiden. In Franz Ritter von Epp fand Hitler einen frühen Mitstreiter. Epp hatte sich als Soldat zum Ostasiatischen Infanterieregiment gemeldet und war später als Kompanieführer am Völkermord an den Hereros beteiligt. 1919 bekam er von Reichswehrminister Gustav Noske den Auftrag, eine eigene Einheit aufzubauen. Das Freikorps Epp spielte 1919 eine unrühmliche Rolle bei der Bekämpfung der Münchner Räterepublik und 1920 beim Kapp-Putsch. Im gleichen Jahr wurde das Freikorps noch im Ruhrgebiet eingesetzt, um einen kommunistischen Aufstand zu bekämpfen. Bereits zu dieser Zeit war das Freikorps Epp ein Sammelbecken für Nationalisten, Rassisten und Antisemiten.

Im Mai 1928 wurde Epp Mitglied der NSDAP und zog im selben Monat für die Partei in den -Bayerischen Landtag. Er war für Hitler ein Aushängeschild, um bürgerliche und konservative Kreise anzusprechen. Seine Karriere war zunächst auf Bayern beschränkt. Das änderte sich, nachdem das Kolonialpolitische Amt aus dem Wehrpolitischen Amt herausgelöst worden war und Epp zu seinem Leiter ernannt wurde. In der Folge gab es im Kolonialpolitischen Amt zwei Abteilungen. Die eine hatte ihren Sitz in Berlin und war offiziell eine Gliederung der NSDAP, die andere hatte ihren Sitz weiter in München. Aufgabe der beiden Abteilungen war es, die Verwaltungsstruktur eines neuen Kolonialreichs vorzubereiten. Hans-Heinrich Lammers informierte in einer geheimen Mitteilung die obersten Behörden. Von diesen Vorbereitungen sollte nichts nach außen dringen, ließ Rudolf Hess Epp 1934 wissen. 1940 waren die Vorbereitungen weitgehend abgeschlossen. Von den Verwaltungsstellen, über den Bedarf an Lehrern und die Besetzung der Polizei war alles geplant. Es war sogar ein Gesetz fertig in der Schublade, das sexuelle Kontakte zwischen Menschen mit weißer und dunkler Hautfarbe unter Strafe stellte. Aus der Reichskanzlei erging 1940 die Anweisung an alle Behörden, »dem Kolonialpolitischen Amt im Rahmen ihrer Zuständigkeit in großzügigster Weise alle Förderungen zuteilwerden zu lassen und nach Kräften daran mitzuwirken, dass die Vorbereitung für die Übernahme der Verwaltung in unseren zukünftigen Kolonien in kürzester Frist beendet werden kann«.

Im Januar 1941 verbot Joseph Goebbels allen Gauleitern »jede schriftliche oder mündliche Behandlung von Kolonialfragen«. Nach den Niederlagen der Wehrmacht 1943 wurde das Kolonialpolitische Amt, mit der Anmerkung, dass erst nach einem Sieg die Auseinandersetzung mit England über Kolonien geführt werden soll, aufgelöst.