Keine Insel der Seligen

geschrieben von Andreas Peham

8. September 2021

Rechter Terror auch in Österreich

Lange galt Österreich als vom Rechtsterror verschont – dem Werwolf-Terror der 1940er Jahre und dem Südtirol-Terror der 1960er Jahre zum Trotz. Und wenn, wie 1982, Neonazis aus dem Umfeld der Nationaldemokratischen Partei (NDP) doch Bomben (bei Juden bzw. jüdischen Einrichtungen) legten, dann haben sie das wie Ekkehard Weil als »Einzeltäter« getan. Auch die 1993 beginnende Terrorserie der »Bajuwarischen Befreiungsarmee« (BBA) beendete nicht, dass das massenmörderische Potenzial der Neonaziszene im Land ignoriert und heruntergespielt wurde.

Nach Jahrzehnten der Verharmlosung scheint das Bewusstsein der Bedrohung durch rechten Terror nun langsam wieder zu wachsen. Anfang Dezember vergangenen Jahres sah sich gar Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) gezwungen, vor der Gefahr zu warnen. Den unmittelbaren Anlass bot die Aufdeckung einer österreichisch-deutschen »Terrorallianz« (Kronen Zeitung) rund um den niederösterreichischen Neonazi Peter Binder (53). Bei mehreren Hausdurchsuchungen wurden ein riesiges Waffenarsenal und Sprengstoff sichergestellt.

Organversagen

Seit den skandalösen Freisprüchen der Südtirol-Terroristen in den 1960er Jahren zeigt sich, wie nah Verleugnung, Verharmlosung und (ungewollte) Komplizenschaft beisammen liegen. So etwa im Fall der »SS-Kampfgemeinschaft Prinz Eugen«, die im Sommer 2002 samt Waffenlager aufgeflogen war. Der bis dahin größte Waffenfund bei Neonazis führte 2012 gerade mal zu vier Geldstrafen wegen Verstößen gegen das Waffengesetz.

Auch wenn die Bereitschaft, das NS-Verbotsgesetz zur Anwendung zu bringen, gestiegen ist, fallen die Gerichte immer wieder durch schlampige Anklagen und unverhältnismäßig milde Urteile auf. Zuletzt im Februar dieses Jahres, als fünf Aktivisten der neonazistischen »Europäischen Aktion« (EA) teilweise freigesprochen wurden und mehrheitlich mit Bewährung davonkamen. Es wurde nicht ernsthaft versucht, Beweise für den angeklagten Aufbau der »Freiwilligen Europäischen Befreiungsarmee« zu erbringen.

Vor dem Bürgerkrieg

Die Berichterstattung über das 2017 aufgeflogene deutsche Hannibal-Netzwerk machte die Vorbereitungen auf den »Tag X«, den erhofften Zusammenbruch der staatlichen Ordnung, öffentlich bekannter. Tatsächlich ist die Vorbereitung auf solch einen »Tag X« verbindendes Element militanter Rechter. Sie machen sich nicht nur fit für den Kampf ums Überleben, sondern suchen auch nach Abkürzungen in den Bürgerkrieg. Etwa, indem sie versuchen, terroristische Akte anderen – vornehmlich Geflüchteten – in die Schuhe zu schieben. So der Bundeswehr-Soldat Franco Albrecht, der 2017 bezeichnenderweise auf dem Wiener Flughafen festgenommen wurde. Weitere deutsche Mitglieder des Hannibal-Netzwerkes waren zumindest 2015 zum Schießen und Marschieren in Niederöster-reich. Nach Behördenangaben soll es auch eine Österreich-Chatgruppe gegeben haben.

Der Attentäter von Christchurch (2019), Brenton Tarrant, bezog sich positiv auf die Hannibal-Kameraden. Dessen Manifest wurde vom Kärntner Neonazi-Rapper Philip Haßler (alias Mr. Bond) ins Deutsche übersetzt. Und einer der Mr.-Bond-Songs lieferte den Soundtrack für den Halle-Attentäter (2019) Stephan Balliet.

Stochastischer Terror

Aktuell kursiert in der Neonaziszene eine Terrorfibel mit dem Titel »Handbuch zum Selbsterhalt von Dir und Deinem Volk«. Bezeichnenderweise ist es mit Zitaten zweier Österreicher gespickt: Eingeleitet wird mit Martin Semlitsch (alias »Lichtmesz«), der finale Aufruf stammt von Martin Sellner (»Identitäre Bewegung«). Dieser fand schon im Dezember 2016, nach dem islamistischen Terroranschlag in Berlin, bezeichnende Worte – in der typischen Doppelzüngigkeit aus Distanzierung von der Gewalt und gleichzeitiger Drohung damit: »Unsere Antwort dürfen nicht Gewalt und Gegenterror sein – obwohl ich befürchte, dass es bald von einigen verzweifelten und wütenden, ohnmächtigen Rechten radikalere und extremistischere Antworten geben wird.«

Als stochastisch (zufallsabhängig) wird jene Form des Terrorismus beschrieben, in der massenmedial verbreitete Botschaften, die sich nicht an einen konkreten Täterkreis richten, terroristische Anschläge und Gewalt provozieren sollen. Als zufällig gelten nicht die Tat oder die Opferauswahl, sondern die unmittelbare Täterschaft eines sogenannten einsamen Wolfes. Der Begriff nimmt die Hetzer und Untergangsphilosophen als mittelbare Täter in den Blick, da sie andere zur Tat motivieren und mit Rechtfertigungsversuchen unterstützen.