editorial

geschrieben von Nils Becker

9. September 2021

Wir alle kannten Esther Bejarano als eine Frau von großer Entschiedenheit und geradezu unglaublichem Elan, die viele noch bis zuletzt auf großen Bühnen erleben durften. Wir widmen diese Ausgabe der antifa dieser unbeugsamen Zeitzeugin. Trotz aller Trauerbekundungen bis in die höchsten Kreise (siehe
Seite 7), konnte sich die Hamburger Bürgerschaft bisher nicht dazu durchringen, sie zur Ehrenbürgerin zu machen. Das kann gern nachgeholt werden.

Die aktuelle Ausgabe steht zudem im Zeichen des Wahlkampfs, der Versprechungen und Verlautbarungen. Viele von uns werden auf der »Unteilbar«-Demo am 4. September in Berlin gegen Rassismus demonstrieren. Doch wie weit reicht der Appell an die offene Gesellschaft? Wie schlagkräftig sind die Bündnisse in der konkreten Umsetzung der Ansprüche? Wir widmen uns deshalb nicht nur wieder der AfD, als größter extrem rechter Kraft (Seiten 5, 9, 12), sondern richten unseren Blick auch auf die politischen Umbrüche in ehemals alternativen Milieus (Seite 27), in der Mitte (Seite 31) und Netzwerken, die sich diese Verwerfungen durch moderne Technologien zunutze machen (Seite 14).

Mit dem Forderungskatalog der Unabhängigen Kommission Antiziganismus (Seite 8), steht die nächste Regierung unter Druck zu liefern, aber auch nur weil die aktuelle sich betont zurückgehalten hat, die strukturellen Diskriminierungen zu beseitigen. Wer tatsächlich den Anspruch verfolgt, der rassistischen Abwertung Maßnahmen entgegenzusetzen, muss die Perspektive der Betroffenen einnehmen (Seite 30). Wie es nicht geht, zeigt das neu eröffnete Zentrum gegen Vertreibung in Berlin (Seite 32). »Schuld und Verantwortung« riechen hier übel nach Heuchelei, wenn man sich den heutigen Unwillen zur tatsächlichen Verantwortungsübernahme für (Kriegs-)Flüchtlinge anschaut.

In eigener Sache: Erstmalig drucken wir Teile eines Comics, der bald erscheint (Seite 34). Wir können solche größeren Vorhaben jetzt auch öfter bringen, weil wir uns entschieden haben, von Zeit zu Zeit vier Seiten mehr zu drucken. Unser Magazin wird dadurch nicht nur dicker sondern auch vielfältiger.