Ein neuer Freisler?

geschrieben von Ulrich Sander

9. September 2021

Der AfDler Matthias Helferich sieht sich als »freundliches Gesicht des NS«

Eine nennenswerte Zahl der Bundesbürger – eine Forsa-Umfrage ermittelte einmal mehr als 20 Prozent – sind der Ansicht, das NS-Regime hätte auch gute Seiten gehabt. Auf die Stimmen jener Wähler schielt die AfD. Wenn nicht ein demokratisches Donnerwetter dazwischenkommt, wird dem nächsten Bundestag ein »demokratischer Freisler« angehören.

In positiven Bezug zu Roland Freisler, den mörderischen Präsidenten des Volksgerichtshofs der Nazis, setzte sich mit dieser Selbstcharakterisierung Matthias Helferich, wie jüngst geleakte Chats aus dem Jahr 2017 zeigen. Besagter Helferich ist AfD-Kandidat mit sicherem MdB-Platz auf der NRW-Liste. Der heute 32jährige Jurist bezeichnete sich laut der geleakten Dokumente auch als das »freundliche Gesicht des NS«. Als neues Kennzeichen der Rechten schwebt Helferich zudem die Kornblume vor. Sie sei das geheime Symbol der Nazis »während des Verbots in Österreich« gewesen. Helferich gibt sich sicher, die Naziszene in Dortmund werde wohl aufrufen, ihn zu wählen. Er »kenne die Jungs aus Dorstfeld«, prahlte er in dem Chat.

Das frühere Junge-Union-Mitglied Helferich war laut taz-Recherchen schon vor einiger Zeit mit antisemitischen Thesen aufgefallen. Nachdem die neuerliche »Entgleisung« auch im AfD-Bundesverband für einigen Ärger gesorgt hatte, wurde er jüngst als AfD-Landesvize abgelöst, bleibt aber in der Partei und auf der Landesliste.

Hier ist ein historischer Vergleich unvermeidlich: Vor 50 Jahren hatten die Behörden Roland Freisler Absolution erteilt, indem sie davon ausgingen, dass der bei einem Bombenangriff ums Leben gekommene höchste Richter nach dem Krieg weiter in seinem Beruf aufgestiegen wäre. Daher wurde seiner Witwe, Marion Freisler, die Witwenrente der Kriegsopferversorgung um monatlich 400 DM für viele Jahre erhöht.

Auch wenn sich Helferich neuerdings mit einem Stauffenberg-Porträt auf dem T-Shirt fotografieren lässt, wird abermals deutlich: Zwischen AfD und die offen neofaschistische Szene passt kein Blatt. Die breite Popularisierung der Helferich-Thesen beispielsweise durch die lokale NRW-Monopolzeitung Ruhrnachrichten und ihr Eintreten für eine »demokratische Diskussionskultur« inklusive AfD stößt in der demokratischen Öffentlichkeit auf Widerstand. Bisher waren Aufwertungen der Partei Die Rechte, der FAP und der zahlreichen Nazigruppen in Dortmund undenkbar. Vielmehr stieß deren Auftreten auf Protest, Widerstand und Blockaden. Die mediale Aufwertung Helferichs passt zu dem Streben der CDU-FDP-Landesregierung nach einem neuen Versammlungsrecht, mit dem wirksamer Protest gegen rechts erschwert werden soll.