Nazis wittern Morgenluft

geschrieben von Max Gerlach

9. September 2021

Die Hochwasserkatastrophe und die Mobilisierung extrem rechter Akteure

Spätestens seit der Corona-Krise ist allgemein offenkundig, dass Neonazis und andere extreme Rechte in Krisen- und Katastrophenmomenten wie der jüngsten Hochwasserkatastrophe Morgenluft wittern und das Thema bespielen mit dem Ziel, politisches Kapital daraus zu ziehen. Doch wollen sie nicht uneigennützig Hilfe zur Selbsthilfe leisten, sondern sich als unentbehrliche politische und soziale Avantgarde der Gesellschaft darstellen.

Bereits in den ersten Tagen haben etwa Rechtspopulisten und Rechtsextreme Sach- und Geldspenden gesammelt, darunter auch die neonazistische Hooligan-Band »Kategorie C«. Der extrem rechte »Volkslehrer« Nikolai Nerling und ein Tross Mitreisende besuchten Ahrweiler, ebenso wie andere Rechtsextreme aus dem ganzen Bundesgebiet. »Querdenker« betrieben ein Familienzentrum mit psychologischer Unterstützung für Kinder in Ahrweiler oder meldeten Versammlungen im Krisengebiet an und charterten Busse dorthin. Andere fuhren mit Lautsprecherfahrzeugen, die polizeilichen Einsatzfahrzeugen ähneln, durch das Krisengebiet und verkündeten wahrheitswidrig, der Staat stelle seine Hilfsaktionen ein.

Rechte Hetze gegen Öffentlich-Rechtliche

Das Ausmaß der Hochwasserschäden wie hier im Ahrtal ist gigantisch. Neonazis und andere Rechte inszenieren sich in der Krise als Helfer für die »einfachen« und »von der Elite verratenen« Leute Foto: Max Gerlach

Das Ausmaß der Hochwasserschäden wie hier im Ahrtal ist gigantisch. Neonazis und andere Rechte inszenieren sich in der Krise als Helfer für die »einfachen« und »von der Elite verratenen« Leute
Foto: Max Gerlach

Das Schema, mit dem extreme Rechte in der Krise mobilisieren, ist im Kern ein populistisches. Beispielsweise propagieren sie, die öffentlich-rechtlichen Medien hätten unzureichend gewarnt und damit ihre Existenzberechtigung verwirkt. Generell versagt hätten Verwaltung und Regierung in der Katastrophenvorsorge und ebenso in der Nachsorge, weil sie nun zu wenig Personal schickten und in der Koordinierung versagten. In diesem Moment des Wiederaufbaus sei zudem die Bundeswehr zur Unfähigkeit und Nutzlosigkeit verdammt, weil sie unterfinanziert sei und zu allem Überdruss generell im Dienste fremder Interessen operiere. Auch andere Verschwörungs-ideologen finden in altbekannten Erzählungen eine Erklärung für die Naturkatastrophe, etwa indem sie die NASA bezichtigen, für den Niederschlag verantwortlich zu sein (siehe »HAARP«-Verschwörung).

Durchsichtiges Agieren

Dem durchsichtigen karitativen und propagandistischen Handeln der Rechtsextremen sollten die demokratischen Akteure vor Ort aktiv begegnen, insbesondere stehen Multiplikatoren aus den Verwaltungen, Krisenstäben und der Bürgerschaft in der Verantwortung, sich nicht das Heft des Handelns entreißen und den Rechtsextremen unnötigen Gestaltungs- und Handlungsspielraum zu überlassen. Auf vermeintliche Hilfsangebote sollten Krisenstäbe mit Skepsis reagieren und sich fragen, wer dort mit welchem Eigeninteresse auftritt – und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen.

Dieser Beitrag basiert auf einer Einschätzung von Max Gerlach, die der Mobile Berater gegen Rechtsextremismus für den DGB Koblenz erstellt hat. Wir danken dem Autor für die Überarbeitung und freundliche Genehmigung zum Abdruck.

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https://demokratiezentrum.de