Für ein freies Hellas
6. November 2021
Vor 80 Jahren bildete sich die Nationale Befreiungsfront gegen die Nazibesatzer
Am 28. Oktober 1940 waren zuerst italienische Truppen in Griechenland einmarschiert. Doch die zwar schlecht bewaffneten, aber hoch motivierten und von der Bevölkerung unterstützten griechischen Soldaten jagten die faschistischen Besatzer schnell wieder aus dem Land. Nun griff Nazideutschland als Italiens Verbündeter ein und begann im April 1941 mit der Besetzung Griechenlands. Die Besatzer, die Teile des Landes Italien und Bulgarien überließen, sicherten sich vor allem strategisch wichtige und rohstoffreiche Regionen zur erbarmungslosen Ausplünderung. Eine Folge davon war eine Hungersnot, der schon im Winter 1941/42 Zehntausende Griechen zum Opfer fielen. Das befeuerte den Widerstand.
EAM konstituiert sich
In der Nacht zum 28. September 1941 hatte sich auf maßgebliche Initiative der Kommunistischen Partei (KKE) die Nationale Befreiungsfront EAM konstituiert, der auch kleinere republikanische Parteien angehörten. Ihre Ziele definierte die EAM unter Verzicht auf klassenkämpferische Rhetorik wie folgt:
- Befreiung der Nation vom Joch ausländischer Mächte und Erlangung vollständiger Souveränität unseres Landes.
- Bildung einer provisorischen Regierung der EAM unmittelbar nach der Vertreibung der Besatzer mit dem einzigen Auftrag, Wahlen zu einer Nationalversammlung nach dem Verhältniswahlrecht auszuschreiben, damit das Volk sich als Souverän zur Regierungsform äußern kann.
- Sicherung der Grundrechte des griechischen Volks gegen jeden reaktionären Anschlag.
Die EAM kämpfte gegen die Hungersnot und organisierte Streiks für höhere Löhne und Lebensmittelzuteilungen, und sie sorgte 1943 für die Aussetzung der von den Deutschen befohlenen allgemeinen Arbeitsdienstpflicht. Ihre im Februar 1942 gebildete Partisanenarmee ELAS wurde bald zur stärksten militärischen Kraft des Widerstandes. Die Sprengung der Gorgopotamos-Eisenbahnbrücke im November 1942 war der erste große Erfolg der Partisanen. Doch die Rache der Besatzungstruppen war blutig. Schätzungen gehen von bis zu 80.000 Griechen aus, die im Partisanenkampf und insbesondere bei den Vergeltungsaktionen gegen die Zivilbevölkerung getötet wurden. So massakrierten am 13. Januar 1943 Wehrmachtssoldaten im Bergdorf Kalavrita bis zu 800 Zivilisten. Und in Distomo bei Delphi ermordete eine SS-Einheit am 10. Juni 1944 alle angetroffenen 218 Einwohner, darunter 34 Kinder. Fast 90 Prozent der griechischen Juden – rund 60.000 – wurden deportiert und in Auschwitz und Treblinka ermordet.
Besatzer geschlagen
In den von den Partisanen befreiten Gebieten konstituierte sich im Frühjahr 1944 ein Politisches Komitee der Nationalen Befreiung (PEEA). Diese »Bergregierung« des »Freien Hellas« trat dann einer Regierung der Nationalen Einheit unter Giogios Papandreou bei. Als die deutschen Besatzer im November 1944 geschlagen aus Griechenland abzogen, umfasste die EAM rund 1,5 Millionen Mitglieder – bei einer Bevölkerung von knapp sieben Millionen. Politisch konnte die Front aus ihrer Stärke allerdings keinen Profit schlagen. Denn Großbritannien unterstützte zwar die Widerstandsbewegung mit Waffenlieferungen und Logistik. Doch erklärtes Anliegen von Premier Winston Churchill war es, die Monarchie zu restaurieren und die Kommunisten zurückzudrängen, um zu verhindern, dass ein unabhängiges Nachkriegsgriechenland sich aus dem seit den 1860er Jahren bestehenden Klientelverhältnis zu Großbritannien löst oder gar unter sowjetischen Einfluss gerät.
Dafür förderten die Briten nicht nur besonders die rechtsnationalistische Widerstandsbewegung EDES. Sie drängten nach dem Abzug der Besatzer auch auf Entwaffnung der ELAS, während Nazikollaborateure der berüchtigten Sicherheitsbataillone zum Einsatz gegen die linken Partisanen aus den Gefängnissen freigelassen wurden. Am 3. Dezember 1944 richtete die Polizei auf dem Syntagmaplatz in Athen ein Massaker unter Mitgliedern der EAM an. Dies war der Auftakt zum Bürgerkrieg, in dem die britischen Truppen auf Seiten der antikommunistischen Kräfte intervenierten.
Ausgeplündert und verwüstet
Innerhalb von zwei Jahren deutscher Besatzung waren zehn Prozent der griechischen Bevölkerung in Folge von Hunger und Krieg ums Leben gekommen, das Land war ausgeplündert und verwüstet. Die Bundesrepublik zahlte 1961 lediglich 115 Millionen D-Mark als »Wiedergutmachung«. Bis heute blockieren alle Bundesregierungen weitere Entschädigungs- und Reparationsforderungen Griechenlands und verweigern die Rückzahlung einer von den Nazis erpressten Zwangsanleihe. Auch eine juristische Aufarbeitung der deutschen Verbrechen in Griechenland fand vor deutschen Gerichten nie statt.
FIR erinnert an den Beginn des griechischen Widerstands vor 80 Jahren
Der Feldzug der deutschen Wehrmacht seit April 1941 führte dazu, dass die Völker des Balkans in den folgenden Monaten nach der militärischen Besetzung ihren Widerstand entfalteten. In den heutigen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens hat es in den vergangenen Wochen mehrere Gedenkveranstaltungen in Erinnerung an den Widerstandsaufruf von Josip Broz Tito gegeben. Am 27. September 2021 erinnern auch die griechischen Antifaschisten an die Gründung der Nationalen Befreiungsfront (EAM) vor 80 Jahren.
Für Hitlerdeutschland war Griechenland ein strategischer Mittelmeerzugang, aber vor allem eine zu plündernde Region. Die Besatzungstruppen raubten Fahrzeuge, Maschinen, Geld und Nahrungsvorräte. Gleichzeitig errichtete die deutsche Wehrmacht ein Terrorregime. Exemplarisch zeigte es sich an den Verbrechen nach der Einnahme der griechischen Insel Kreta. General Kurt Student gab am 31. Mai 1941 den Befehl, dass Truppenteile, die von »Freischärlern« angegriffen würden, in den betreffenden Orten die männliche Bevölkerung »ausrotten« und alle Häuser zerstören sollten. Neueren Forschungen zufolge starben durch diesen Terror allein auf Kreta bis Kriegsende fast 9.000 Menschen. Ähnliche Verbrechen fanden in allen Teilen des Landes statt und trafen auch die 50.000 jüdischen Bewohner Thessalonikis, die innerhalb weniger Wochen fast vollständig deportiert wurden.
Trotz des Terrors gab es erste sichtbare Beispiele des Widerstands. Am 30. Mai 1941 holten in Athen zwei 19jährige Studenten nachts die Hakenkreuzfahne, die die Besatzungstruppen auf der Akropolis gehisst hatten, herunter und hissten die griechische Flagge. Diese Aktion macht Manolis Glezos und Apolostos Santas zu antifaschistischen Legenden – und setzt den Startpunkt für eine der größten und erfolgreichsten Widerstandsbewegung gegen die Naziherrschaft in Europa.
Nach längeren Verhandlungen zwischen der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) und drei weiteren kleinen Linksparteien wurde am 27. September 1941 die Nationale Befreiungsfront Griechenlands (Ethniko Apelevtherotiko Metopo, EAM) gebildet. Die EAM entwickelte sich schnell zur wichtigsten Widerstandsorganisation. In ihrer Gründungscharta forderte sie die Befreiung des Landes, die Wiederherstellung der Souveränität und Bildung einer Übergangsregierung nach Vertreibung der Besatzungsmächte. Ihre Aufgabe sollte es sein, freie Wahlen vorzubereiten, um das griechische Volk selbst über die von ihm gewünschte Regierungsform entscheiden zu lassen.
Als vordringlichste Aufgabe der Nationalen Befreiungsfront stand aber zunächst die Bewältigung der durch die Besatzung verursachten alltäglichen Not der Menschen im Vordergrund. Die durch die gnadenlose wirtschaftliche Ausplünderung des Landes verursachte katastrophale Ernährungslage forderte im ersten Besatzungswinter ca. 100.000 Tote. Außerdem organisierte die EAM über ihren gewerkschaftlichen Zweig Demonstrationen und Streiks.
Im Februar 1942 wurde als bewaffneter Arm der EAM die Griechische Volksbefreiungsarmee (ELAS) unter Oberbefehl von Aris Velouchiotis gegründet. Sie war die führende Kraft des Partisanenkampfes gegen die deutschen Okkupanten und ihre Verbündeten. Eine wichtige Aktion war z.B. die Zerstörung der Gorgopotamos-Brücke, ein zentraler Transportweg für die Besatzungstruppen zwischen Athen und Thessaloniki, im November 1942.
EAM und ELAS hatten den entscheidenden Anteil am griechischen Befreiungskampf. Dennoch wurden sie 1945 nach der Vertreibung der deutschen Besatzer im griechischen Bürgerkrieg durch die monarchistische Regierung mit Unterstützung der britischen Armee als „kommunistische Bedrohung“ bekämpft. Das führte dazu, dass eine staatliche Anerkennung des Partisanenkampfes über viele Jahrzehnte in Griechenland ausblieb. Trotz aller Wertschätzung des EAM-Widerstands gibt es bis heute keine gemeinsame Erinnerung.
Die FIR und ihre Mitgliedsverbände vergessen die großen Leistungen der EAM und der ELAS nicht. Sie grüßen aus Anlass des 80. Gründungsjubiläums die griechischen Antifaschisten der PEAEA-DSE und erwarten, dass auch seitens der griechischen Regierung dieser Partisanenkampf eine angemessene Würdigung erfährt.