Mit Verboten gegen die VVN

geschrieben von Regina Girod

6. November 2021

Ein exemplarisches Fundstück aus dem Bundesarchiv der VVN-BdA

Die Stadt Frankfurt/Main hat im Leben der VVN immer eine besondere Rolle gespielt. Hier wurde im März 1947 auf einer interzonalen Landeskonferenz ihr Dachverband gegründet, und bis 1990 befand sich die Bundesgeschäftsstelle in der Frankfurter Rossertstraße 4. Auch die im Jahr 2002 gegründete gesamtdeutsche VVN-BdA trifft sich oft und gern in Frankfurt, zuletzt im April zu ihrem 7. Bundes-kongress und demnächst wieder, am 26. März 2022, zur Feier des 75. Jahrestages ihrer Gründung. Mehrfach ist in den letzten Jahren der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) auf Veranstaltungen der VVN-BdA im Haus Gallus aufgetreten. Dieses Haus, in dem ab Dezember 1963 der erste Frankfurter Auschwitzprozess stattfand, ist für den Verband zu einem wichtigen, identitätsstiftenden Ort geworden. Das Bekenntnis zum Antifaschismus (sichtbar auch in der Verleihung der Johanna-Kirchner-Medaille der Stadt) und die langjährige Kooperation mit der VVN-BdA zeichnen den Magistrat der Stadt Frankfurt heute vor anderen Kommunen aus. Doch das war nicht immer so.

In den Räumen des Bundesarchivs der VVN-BdA in Berlin-Pankow füllen meterlange Aktenbestände Regale, die bis zur Decke reichen. Darunter auch diese Akte, beispielhaft herausgegriffen: »Prozess: Verfahren/Urteile ’63–’68«. Etwa 200 Seiten des Ordners dokumentieren einen Rechtsstreit, den das Präsidium der VVN wegen einer Verbotsverfügung der Stadt Frankfurt führte, er begann im August 1963 und endete erst im Januar 1967, in der Sache mit einem Sieg der VVN.

Behördlicher Eifer

Auf den Antrag des damaligen Geschäftsführers, Max Oppenheimer, für die Durchführung der Jahresversammlung der Hessischen VVN im September 1963 einen städtischen Saal nutzen zu können, reagierte der Magistrat mit einem Beschluss, der VVN keinen solchen Raum zur Verfügung zu stellen, da zwei ihrer Landesorganisationen (Hamburg und Rheinland-Pfalz) verboten worden seien und gegen die Bundesorganisation ein seit 1961 ruhender Verbotsantrag der Bundesregierung vorläge. Dieser Magistratsbeschluss wurde so rigide ausgelegt, dass auch ein kurze Zeit später gestellter Antrag der VVN, am Todestag des Schauspielers Joachim Gottschalk an seiner Büste im Foyer des Großen Hauses der Städtischen Bühnen Frankfurt einen Kranz niederzulegen, abgelehnt wurde.

Kein Gleichheitsgrundsatz

Der Magistratsbeschluss vom  August 1963.

Der Magistratsbeschluss vom  August 1963.

Der Widerspruch der VVN gegen die beiden Verbote wurde vom Widerspruchsausschuss der Stadt im Oktober 1964 zurückgewiesen. Daraufhin erhob die VVN im Dezember 1964 Klage vor dem Verwaltungsgericht. Sie argumentierte, dass es sich bei den Verboten um einen Ermessensmissbrauch und damit einen Bruch des verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatzes handelt, da hier nicht verbotene Organisationen behandelt würden, als wären sie verboten. Am 29. April 1965 hob das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die beiden Verbote und die Entscheidung der Widerspruchskammer auf, worauf die Stadt Frankfurt in Berufung ging. Das Berufungsverfahren zog sich bis zum Beginn des Jahres 1967 hin und endete schließlich damit, dass die Stadt die Berufung zurücknahm, da mit der im August 1964 angenommenen Neufassung des Vereinsgesetzes auch das Verbotsverfahren gegen die VVN endgültig eingestellt worden war.

Woher dieser Furor?

Der Schlüssel zum Verständnis des Vorgehens gegen die VVN liegt im Antikommunismus begründet, der in den Jahrzehnten des Kalten Krieges Teil der Staatsräson der alten Bundesrepublik war. Kommunisten wurden nach dem Verbot der KPD 1956 als Staatsfeinde angesehen, ausgegrenzt, entrechtet und kriminalisiert. Nazi konnte man gewesen sein, Kommunist nicht.

Da unter den Wenigen, die Widerstand gegen den Faschismus geleistet hatten, viele Kommunisten gewesen waren, fanden sich diese auch unter den Mitgliedern der VVN wieder. Jahrzehntelang wurden die VVN und auch die VVN-BdA daher von Verfassungsschutzämtern verdächtigt, eine Art kommunistischer Tarnorganisation zu sein. Mit langem Atem und Konsequenz dagegen anzukämpfen, gehört zu den Traditionen unseres Verbandes.

In loser Folge werden wir künftig an dieser Stelle Dokumente aus den Archiven der VVN-BdA vorstellen.