Gemeinsame Werte

geschrieben von Axel Holz

7. Januar 2022

Potsdamer Gutachten zur Kollaboration der Hohenzollern mit den Nazis

Die Hohenzollern haben die Nazis aktiv unterstützt. Zu diesem Urteil kommt der Historiker Stephan Malinowski in seinem Buch »Die Hohenzollern und die Nazis«. Nicht nur der Kronprinz des abgedankten Kaisers unterstützte die Nazis, sondern auch die Ehefrau des Kaisers als Netzwerkaktivistin im rechtskonservativen Milieu und der vierte Sohn, August Wilhelm Prinz von Preußen, der relativ früh 1930 in die NSDAP eingetreten war und einen hohen SA-Rang trug. Vor 1945 sei keine Erklärung bekannt, in der sich die Hohenzollern vom NS-Regime distanzierten. Alle relevanten politischen Handlungsträger der Familie richteten sich von Anfang an radikal gegen die Republik, und einige davon kollaborierten systematisch mit den Nazis, analysiert Malinowski.

Frühes Bündnis

1932 versuchte Kronprinz Wilhelm von Preußen mit Hitler ein rechtes Bündnis mit ihm als möglichen Kandidaten der Reichspräsidentenwahl gegen den Kandidaten der Linken, Ernst Thälmann, zu schmieden. Der Plan platzte. 1932 publizierte der Kronprinz einen Wahlaufruf für Hitler. In einem Brief an seinen Vater im holländischen Exil erklärte er, ein Jahr lang vor der Machtübergabe an die Nazis auf diesen Moment hingearbeitet zu haben. Tatsächlich tauchte er in den ersten Monaten der Stabilisierung des Naziregimes immer wieder an prominenter Stelle auf. Etwa neben Hitler während einer spektakulären Trauerfeier für die am 30. Januar bei einer Auseinandersetzung mit Kommunisten erschossenen Mitglieder des SA-Sturms 33, Oberwachtmeister Josef Zauritz und Hans Maikowski. Eine zentrale Rolle spielte der Kronprinz bei der Machtfestigung der Nazis, etwa beim »Tag von Potsdam« am 21. März 1933. Die Spitze des Adels führte zusammen mit den Nazis ein nationalistisches und monarchistisches Spektakel mit einem leeren Stuhl in der Garnisonkirche auf, der die Wiederkehr des schlafenden Kaisers in der Kyffhäusersage symbolisieren sollte. Die Hoffnung auf eine Restitution der Monarchie war illusionär, aber nicht abwegig, wie das italienische Beispiel eines Bündnisses von Faschismus und Monarchie zeigt. Die Werbetätigkeit der Hohenzollern für die Nazis endete nicht nach deren Machergreifung. Mit Einsprüchen der Hohenzollern gegen »antideutsche Gräuelpropaganda« in der amerikanischen Presse wurden die Gewaltexzesse der Nazis gezielt beschönigt. Auch danach fehlte es nicht an Bekenntnissen des Kronprinzen zur -NS-Bewegung, etwa als er im Oktober 1938 auf der Tribüne des Rathauses in Breslau eine Parade von etwa 80.000 SA-Männern abnahm.

Streit um die Deutungshoheit

Kronprinz Wilhelm von Preußen bewegte sich in antirepublikanischen Kreisen der Weimarer Republik. Seit seiner Rückkehr aus dem Exil 1923 war er sehr früh vom italienischen Faschismus begeistert, traf bereits 1926 Göhring, Röhm und Hitler auf Schloss Cecilienhof. Das Bild zeigt ihn 1921 (Atelier Merkelbach)

Kronprinz Wilhelm von Preußen bewegte sich in antirepublikanischen Kreisen der Weimarer Republik. Seit seiner Rückkehr aus dem Exil 1923 war er sehr früh vom italienischen Faschismus begeistert, traf bereits 1926 Göhring, Röhm und Hitler auf Schloss Cecilienhof. Das Bild zeigt ihn 1921 (Atelier Merkelbach)

Malinowski unterfüttert in seinem Buch das historische Urteil seines Gutachtens von 2014 im Auftrag der brandenburgischen Landesregierung. Die hatte ihn gebeten, in einem »Gutachten zum politischen Verhalten des ehemaligen Kronprinzen Wilhelm Prinz von Preußen« zu untersuchen, ob die Hohenzollern-Familie der NS-Diktatur erheblich Vorschub geleistet habe. In diesem Falle würden Restitutionsansprüche der Hohenzollern abgewiesen werden können, wie das Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 zu Entschädigungsansprüchen für Enteignungen der sowjetischen Besatzungsmacht von 1945 bis 1949 vorsieht. Die Hohenzollern wirkten, so Malinowski, mit ihrem Auftreten symbolisch antirepublikanisch und zugleich aktiv republikfeindlich in Netzwerken mit Offizieren, monarchistischen Verbänden, Kontakten in die Reichsführung, zum Großgrundbesitz, zu konservativen Parteien und zur NSDAP. Gleichzeitig würde seit den 50er Jahren am Mythos von den Hohenzollern als Opfer der Nazis mit Kontakten zum Widerstand gestrickt. Ihr Hauptakteur, der Kronprinz, sei eine bedeutungslose, politisch konzeptionslose und zu konsequentem Handeln unfähige Randfigur, wie in weiteren Gutachten zur Rolle der Hohenzollern in der Nazizeit kolportiert wird.

Gemeinsamkeiten von Hohenzollern und Nazis

Die Hohenzollern hatten bei ihrer Nazikollaboration klare materielle Ziele: die Hoffnung auf einen Ersatz für die 1918 verlorenen Güter, Privilegien und Machtpositionen, nicht zuletzt durch die Wiedererrichtung der Monarchie. Vor allem aber stimmten die Hohenzollern in ihren Negativzielen mit den Nazis überein. Beide waren antisemitisch, hassten die Republik, den Parlamentarismus, die Demokratie, die Gleichheitsideen, die Frauenbewegung, aber auch die moderne Literatur und das moderne Theater.

Stephan Malinowski, Die Hohenzollern und die Nazis: Geschichte einer Kollaboration. Verlag Propyläen, 2021, 752 Seiten, 35 Euro

Stephan Malinowski, Die Hohenzollern und die Nazis: Geschichte einer Kollaboration. Verlag Propyläen, 2021, 752 Seiten, 35 Euro

All dies wurde vor 1933 bereits jahrelang im Bündnis mit rechtskonservativen Kreisen in Parteien, Verbänden, Institutionen und in der Bevölkerung aktiv bekämpft. Erst diese Gemengelage politischer Einflussnahme, Wertevermittlung und Interessenlage bildet eine zentrale Voraussetzung für die Errichtung der Nazi-Herrschaft. Darin besteht vielleicht die wichtigste Lehre aus dem Faschismus für die heutige Zeit. Das Vordringen antidemokratischer, antiaufklärerischer und nationalistischer Kräfte in der Gesellschaft bringt die Republik insgesamt in existenzielle Gefahr, lange bevor der demokratische Staat unmittelbar angegriffen wird.