Mit Terror »serbenfrei«

geschrieben von Gerald Netzl

8. März 2022

Ein »Großkroatien« war das Ziel der Ustaša. Ein Besuch in Jasenovac

Das in Kroatien gelegene Jasenovac ist kein gewöhnlicher Erinnerungsort an die Opfer des Faschismus. Der Ort ist im Ausland kaum bekannt und hat eine äußerst komplizierte Vergangenheit. Der Autor hat die Gedenkstätte und das Museum für die antifa besucht.

Von Hitlers und Mussolinis Gnaden

Im April 1941, nach der militärischen Niederlage Jugoslawiens, rief der kroatische Faschistenführer Ante Pavelić den sogenannten Unabhängigen Staat Kroatien (Nezavisna Drzava Hrvatska, NDH) aus. Er tat dies von Hitlers und Mussolinis Gnaden. Dieser Staat umfasste ziemlich genau das Territorium des heutigen Kroatien und Bosnien-Herzegowina. In diesem Vielvölkerstaat stellten die KroatInnen weniger als 60 Prozent der Bevölkerung. Annähernd zwei Millionen der 6,5 Millionen EinwohnerInnen waren SerbInnen, weitere 800.000 MuslimInnen, über 150.000 Deutsche und knapp 40.000 ­JüdInnen, UngarInnen, Roma und SlowenInnen. Die Ustaša (dt.: »Der Aufständische«) wollte mit Druck und Terror ein »serbenfreies« Großkroatien errichten. »Unerwünschte« Personen konnten willkürlich, ohne rechtsstaatliche Grundlage, für einen Zeitraum von drei Monaten bis zu drei Jahren in neu eingerichtete Arbeits- und Konzentrationslager eingewiesen werden. Viele Häftlinge in den Lagern starben infolge von Krankheit, Epidemien, Erschöpfung oder Misshandlung, bald kamen Massenexekutionen hinzu.

1941 errichtete man in Jasenovac einen Lagerkomplex mit insgesamt fünf Abschnitten. Um immer wieder Platz für Neuankömmlinge zu schaffen, wurden die Lagerinsassen alle zehn bis fünfzehn Tage einer Selektion unterzogen. Die Schwachen und Kranken wurden ausgesondert und ermordet. Forschungen zur Zahl der Opfer des Zweiten Weltkrieges in Jugoslawien ergaben, dass ca. 290.000 der 1,9 Millionen SerbInnen sowie die große Mehrheit der 30.000 bis 40.000 Jüdinnen und Juden und der 25.000 bis 40.000 Roma, die zu Kriegsbeginn im Einflussgebiet der Ustaša lebten, ermordet wurden. Im Museum Jasenovac wird allein für diesen Ort eine Zahl von 82.000 getöteten Menschen genannt!

Das 1966 errichtete Denkmal »Steinerne Blume« von Bogdan Bogdanović in der Gedenkstätte des ehemaligen KZ Jasenovac. Foto: Gerald Netzl

Das 1966 errichtete Denkmal »Steinerne Blume« von Bogdan Bogdanović in der Gedenkstätte des ehemaligen KZ Jasenovac. Foto: Gerald Netzl

Wikipedia informiert, dass die Tötungen zunächst mit Schusswaffen, später vor allem mit Messern, aber auch Hacken, Beilen, Äxten und Hämmern vorgenommen wurden. Es wurde dabei auch ein Garbenmesser einer deutschen Firma benutzt, das als Srbosjek (»Serbenschneider«) bezeichnet wurde. Mit diesen und einigen anderen Methoden wandelte sich das Konzentrationslager in ein Schlachthaus. Nach Gefangenenzahlen war Jasenovac eines der größten Lager in ganz Europa. Es war der einzige Vernichtungsort im deutschen Machtbereich im Zweiten Weltkrieg in Europa, an dem ohne deutsche Beteiligung planmäßig gemordet wurde.

Jugoslawische Volksbefreiungsarmee rückt ein

Am 2. Mai 1945 rückten Einheiten der Jugoslawischen Volksbefreiungsarmee in Jasenovac ein, das Lager war von der Ustaša zuvor in Schutt und Asche gelegt worden. Von 1945 bis 1948 wurden dort durch die jugoslawischen Kommunisten unter anderem Nazikollaborateure eingesperrt. 1968 wurde die Gedenkstätte eröffnet. Im Krieg zwischen Serbien und Kroatien nahmen serbische Einheiten im Herbst 1991 die Stadt Jasenovac samt der Gedenkstätte ein, das Museum wurde zerstört, wobei die Ausstellung in die Serbische Republik transportiert und später dem US Holocaust Memorial Museum in Washington D. C. übergeben wurde. Im Mai 1995 eroberte die kroatische Armee das Gebiet zurück, im Dezember 2001 wurde die restaurierte Ausstellung nach Jasenovac zurückgebracht. Das große Denkmal (Steierne Blume) wurde 2002 renoviert.

Fazit: Zu Unrecht ist der Ort mit seiner extremen Geschichte weitgehend unbekannt. Jasenovac, eine knappe Stunde von Zagreb entfernt, ist ein wichtiges Reiseziel, ein wichtiger Gedenk- und Lernort für AntifaschistInnen.