UN: Systematische Polizeigwalt

geschrieben von Markus Roth

13. Mai 2022

Im August 2021 übernahm der UN-Sachverständige für Folter, Nils Melzer, Ermittlungen gegen Deutschland, aufgrund unverhältnismäßiger Polizeigewalt bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin. Ein 49-Jähriger war damals bei seiner Festnahme an einem Herzinfarkt gestorben. Das Ziel war es, zur Aufklärung von Verstößen beizutragen, diese zu ahnden und Wiedergutmachungen einzuleiten. Im Oktober wurde beim 48. UN-Menschenrechtsrat berichtet, dass sich willkürliche Polizeigewalt, die von Folter nicht zu unterscheiden ist, während der Pandemie verstärkt habe. Melzer prangerte einen »autoritären Ansatz in der Polizeiarbeit« in sehr vielen Ländern an, der durch Defizite bei der Ausbildung, durch polizeiliche Stigmatisierung sozialer Gruppen bis hin zu Rassismus entsteht. Diesen Trend gibt es auch in Deutschland.

Im Dezember 2021 teilte die Bundesregierung diese Ansicht in einer 37-seitigen Stellungnahme zu den von Melzer recherchierten Einzelfällen naturgemäß nicht. Demnach handele die Polizei immer verhältnismäßig. In den letzten zwei Jahren habe es zudem keine einzige Ahndung von unverhältnismäßiger Gewalt gegeben. Aus dieser Arroganz schloss Melzer, dass die Überwachung der Polizei in Deutschland nicht funktioniere. Gegenüber der Welt sagte er: »Die Wahrnehmung der Behörden, was verhältnismäßig ist, ist verzerrt«.

Im Januar dieses Jahres versuchte die Süddeutsche Zeitung den UN-Sonderberichterstatter mit dem Argument zu demontieren, er würde auch mit Rechten in aller Welt auf Twitter kommunizieren und bei Russia Today (RT) über seine Arbeit berichten. Melzers Replik auf die Vorwürfe ist nur auf der Online-Plattform Telepolis erschienen, da die Süddeutsche sich weigerte. Ende März wurde Melzers Abschlussbericht, in dem er von »Systemversagen« spricht und Handlungsempfehlungen gibt, an die Bundesregierung übermittelt. Nach
60 Tagen Schonfrist wird er auf der Plattform des UN-Menschenrechtsrats (spcommreports.ohchr.org)
veröffentlicht. Nun sind die Innenministerien der Länder gefordert, die Empfehlungen umzusetzen.