Antifaschistische Position?

geschrieben von Jürgen Horn, Berlin

1. Juli 2022

Zu »Fakten schaffen«, antifa Mai/Juni 2022

Die VVN-BdA hätte die Möglichkeit gehabt, eine eigene friedenspolitische Position zu entwickeln. Die hätte in etwa lauten können: Kein Siegfrieden. Unmittelbare Einstellung sämtlicher Kampfhandlungen. Sofortige Aufnahme von Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen. Das könnte erweitert werden: Widerstand gegen all die Kräfte, die mit diesem Krieg ihre Geschäfte machen.

Anders als ein Standpunkt einseitiger Verurteilung Putins wäre das kein Opportunismus und keine kleinbürgerliche Kapitulation vor der derzeitig erzeugten antirussischen Hysterie. Man kann diese Forderungen sogar aufstellen, ohne dass sich zuvor alle vollständig einig sein müssen, wer denn nun wirklich verantwortlich zeichnet und wer nicht.

Das ist nicht geschehen. Sondern? Der Vorsitzende der VVN-BdA hat eine andere Position veröffentlicht. Diese ist weder pazifistisch, noch ist sie antimilitaristisch, wie in dem Text behauptet wird. Beides ist Etikettenschwindel. Sie ist im Grunde nicht einmal antifaschistisch. Und warum? Nachdem das dort ausgebreitete Friedensgesäusel beendet ist, kommt man nämlich zu der Stelle, wo sich Herr Gutsche auf die Seite der eigentlichen Kriegspartei stellt und dieser heiße Tipps gibt, wie man den Russen noch besser abstrafen könne.

Da er hierbei jedoch auf Mittel waffenloser Züchtigung orientiert, wird er damit auf wenig Sympathien bei den US-amerikanischen Rüstungskonzernen und Ölgesellschaften stoßen, in deren geostrategischem Interesse die Russische Föderation ja eigentlich erst zu diesem Krieg provoziert worden ist. Aber auf deren Seite steht er mit seinen Vorschlägen allemal.

Ein selbstständige antifaschistische Position zu diesem Konflikt kann nur sein: Wir befinden uns seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts in einem imperialistischen Weltneuordnungskrieg. Die imperialistischen Staaten führen diesen Krieg untereinander wegen der geopolitischen Interessen der großen Kapitalgesellschaften, denen sie dienen, auch wenn diese Staaten nicht wie im Ersten und im Zweiten Weltkrieg direkt aufeinander einschlagen. Der Imperialismus ist es, der immer wieder Faschismus oder zumindest die Tendenz zu Faschismus hervorbringt. Erst wenn Antifaschist*innen diese Haltung zu dem aktuellen Konflikt haben, sind sie in der Lage, in diesem Konflikt eine eigene Position einzunehmen. Erst dann besteht die Möglichkeit, danach zu fragen, wo diese Tendenz des Imperialismus realpolitisch und aktuell am stärksten, am reaktionärsten, am abenteuerlichsten und mit der deutlichsten faschistoiden Tendenz hervortritt.

Wenn man so herangeht, dann kommt man unter Umständen zu vollkommen anderen Einschätzungen als der des Vorsitzenden der VVN-BdA – hoffentlich …