Adenauer und die VVN

geschrieben von Bernd Kant

4. September 2022

Zur Gründung einer »nicht kommunistischen« Konkurrenzorganisation

Im Frühjahr 2022 berichteten Medien im Zusammenhang mit der Kampagne gegen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mehrfach darüber, dass auch der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer Mitglied der VVN in Köln gewesen sei. Nun sind verschiedene Dokumente in unseren Archiven aufgetaucht, die Adenauers Rolle bei der Spaltung der VVN und den politischen Angriffen gegen die Organisation im Jahr 1950 anschaulich illustrieren.

Im Zuge des Kalten Krieges und der zunehmenden Ost-West-Spaltung begannen Bestrebungen, die VVN als gesamtdeutsche Organisation, die dem Vermächtnis der Überlebenden der Lager und des antifaschistischen – überwiegend kommunistischen – Widerstands verbunden war, politisch zu schwächen und an den Rand zu drängen. Nachdem schon 1948 innerhalb der SPD ein Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber der VVN durchgesetzt worden war, begann Ende 1949 eine Gruppe um das NRW-Vorstandsmitglied Peter Lütsches eine – wie sie es nannten – »nicht-kommunistische« Konkurrenzorganisation aufzubauen. Welche Rolle die Bundesregierung dabei spielte, zeigte die Kabinettssitzung am 3. Februar 1950, wo unter Punkt C »Spaltung der VVN« folgendes berichtet wird:

»Der Bundesminister des Innern berichtet, dass die in der Minderheit befindlichen nicht kommunistischen Teile der VVN beabsichtigen, eine eigene Organisation zu gründen. Zur Förderung ihrer Pläne hätten sie um finanzielle Unterstützung durch den Bund gebeten. (…) Der Bundeskanzler ist der Auffassung, dass die Trennung begünstigt werden muss, beurteilt aber die Erfolgsaussichten einer solchen Organisation nicht sehr günstig.« 1

Aus dem Archiv der VVN-BdA

Aus dem Archiv der VVN-BdA

Als der erweiterte Landesvorstand der VVN NRW am 5. Februar 1950 über – so der TOP – das »organisationsfeindliche Verhalten der Kameraden um Peter Lütsches« diskutierte, ahnte niemand, dass Lütsches bereits am Tag zuvor »grünes Licht« von der Bundesregierung erhalten hatte. Daraufhin gründete er die Konkurrenzorganisation BVN, wie er stolz in einem »streng persönlichen« Brief am 11. April 1950 dem Kölner Regierungspräsidenten Dr. Wersch erklärte: »Ich habe, wie Sie wissen, nach vorheriger Überlegung mit dem Herrn Bundeskanzler Dr. Adenauer und Bundesinnenminister Dr. h.c. Heinemann am 4. 2. 1950 den Bund der Verfolgten des Naziregimes gegründet. (…) Seine Hauptaufgabe besteht darin, die in der V. V. N. organisierten Nichtstalinisten für unseren Staat und seine Verfassung zu gewinnen.«

Anlass dieses Schreibens war jedoch nicht die »Vollzugsmeldung«, sondern die Beschwerde darüber, dass in Bonn und anderen Rathäusern die VVN zu diesem Zeitpunkt noch ein Amtszimmer besaß und außerdem für ihre Mitarbeit in den Betreuungsstellen für die Opfer des Faschismus städtische Zuschüsse erhielt. Lütsches wandte sich in dieser Angelegenheit auch an den NRW-Ministerpräsidenten Karl Arnold und den Finanzminister, dafür Sorge zu tragen, dass öffentliche Gelder grundsätzlich nicht mehr der VVN zur Verfügung gestellt und die Amtsräume geräumt würden. Bitterlich beschwerte er sich auch darüber, dass im »heiligen Köln« immer noch ein CDU-Mann, Herr Scharff, Vorsitzender der VVN sei.

Am Ziel seiner politischen Träume wähnte sich Lütsches, als er am 5. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg, datiert auf den 8. Mai 1950, einen vertraulichen Brief des Bundeskanzlers (»Nicht zur Veröffentlichung bestimmt!«) erhielt. Adenauer schreibt darin:

»Ich habe seinerzeit die Gründung des BVN sehr begrüßt, weil durch sie endlich eine Scheidung von den in der VVN überwiegenden kommunistischen Einflüssen durchgeführt wurde. Ich betrachte mich seit dieser Zeit als Mitglied des BVN und meine Mitgliedschaft bei der VVN als erloschen. Falls erforderlich bitte ich jedoch, mir Beitrittserklärung zum BVN und Austrittserklärung aus der VVN zu übersenden. Im Übrigen habe ich Ihr Schreiben vom 4. Mai 1950 an den für diese Angelegenheit zuständigen Bundesminister des Innern abgegeben. Ich habe ihn ersucht, die geeigneten Schritte zu unternehmen, um zu erreichen, dass die bisher offenbar übliche Unterstützung der VVN durch staatliche und kommunale Dienststellen eingestellt wird.«

Adenauer und die Bundesregierung beließen es nicht bei solch freundlichen Erklärungen. Es dauerte zwar noch bis zur Kabinettssitzung am 19. September 1950, dass in dem sogenannten Adenauer-Erlass zur »Politischen Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes gegen die demokratische Staatsordnung« auch die VVN einbezogen wurde. Beschäftigte im öffentlichen Dienst mussten entweder aus der VVN austreten oder wurden entlassen. Damit gab es die ersten Berufsverbote gegen Antifaschisten.

Es war nur konsequent, dass am 7. November 1950 das Gesetz über die Errichtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz verabschiedet wurde. Hiermit schuf die Adenauer-Regierung ein staatliches Instrument zur Bespitzelung auch der VVN.

1 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Hg.: Bundesarchiv, Bd. 2, 1950, Boldt Verlag, S. 184

In loser Folge stellen wir hier
Dokumente aus den Archiven
der VVN-BdA vor.