Die Anti-Gender-Lobby
4. September 2022
So bekämpfen rechte Gruppen queere Emanzipation
Es gibt Themen, bei denen sich fast alle rechten Gruppen einig sind. Die Aufnahme der Geflüchteten war in der Vergangenheit so ein Thema oder die Einführung des Bildungsplans an den Schulen. Durch ihn sollte an den Schulen Homosexualität als ein selbstverständlicher Ausdruck menschlichen Lebens dargestellt werden.
Hauptsächlich in Stuttgart ab Mitte 2014 und einige Monate später in Hannover sind regelmäßig Demonstrationen von der Gruppe »Demo für Alle« organisiert worden. Sie lehnte sich an die französische Gruppe »La Manif pour tous« an, die in den Jahren 2012 und 2013 Hunderttausende gegen die geplante »Ehe für alle« auf die Straße gebracht hat. Angespornt durch den Erfolg in Frankreich hat das Ehepaar Beatrix und Sven von Storch die »Demo für Alle« gegründet. Sie war damals ein Teil des von dem Ehepaar Storch geleiteten Kampagnennetzwerks »Zivile Koalition«. Schon sehr früh kamen Hedwig von Beverfoerde und die christlich-fundamentalistische Publizistin Birgit Kelle dazu.
Innerhalb weniger Monate schlossen sich bei den Demonstrationen in Stuttgart immer neue Verbündete an. Von der AfD bis zu konservativen Teilen der CDU und fundamentalistischen christlichen Gruppen demonstrierten viele gemeinsam gegen die Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften.
Obwohl es in den vergangenen Jahren ruhig um diese Gruppen gewesen ist, waren sie weiter aktiv. Der sogenannte Marsch fürs Leben mit mehreren tausend Teilnehmenden wurde von ihnen organisiert. Seit einigen Monaten haben sie ein neues Feld gefunden, auf dem sie jetzt aktiv sind. Das geplante »Selbstbestimmungsgesetz« wird als neues Mobilisierungsthema aufgebaut. Mit dem geplanten Gesetz soll es Menschen, die sich nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren können, möglich werden, ihren Namen und Geschlechtseintrag beim Standesamt durch einen Antrag ändern zu lassen.
Christliche Fundamentalisten und rechte Politiker sehen darin erneut den Untergang des Abendlandes. Auf der Internetseite der »Demo für Alle« ist zu lesen: »Die Debatte um dieses Thema muss unbedingt in Gang gehalten und die Argumente müssen weiterverbreitet werden.« Die Veranstaltung wird mitgetragen von CitizenGo. Die Gruppe hat bei Lebensschützern, rechten Christen und AfD-Mitgliedern einen guten Ruf. Auf ihrer Internetseite schreiben sie: »Wir haben Kampagnen zum Schutz des Lebens Ungeborener durchgeführt, und auf Regierungen eingewirkt um die Glaubensfreiheit zu schützen.« Die taz fasste in einer längeren Recherche im Mai 2019 zusammen, »dass CitizenGo versucht, rechte Parteien in ganz Europa zu stärken«.
Es gibt aber noch mehr Gruppen, die gerade verstärkt gegen die Emanzipationsbewegung homosexueller und Trans*-Menschen hetzen. Mit fast gleichlautenden Slogans haben die Freiheitliche Jugend in Österreich, die Junge Alternative in Deutschland und die Neonazipartei Der III. Weg dazu aufgerufen, einen »patriotischen Monat« statt einem »pride month« auszurufen.
Die Hetze der AfD gegen homosexuelle Menschen hat seit dem Schulterschluss mit der »Demo für Alle« nie aufgehört. Bei einer Diskussion im Landtag von Sachsen-Anhalt im Jahr 2016 über die Migrationspolitik hat Henriette Quade von den Linken gesagt, dass homosexuelle Menschen in nordafrikanische Länder abgeschoben werden, obwohl dort für Homosexuelle Gefängnis droht. Im Protokoll der Landtagssitzung ist an dieser Stelle ein Zwischenruf des AfD-Abgeordneten Andreas Gehlmann verzeichnet: »Das sollten wir in Deutschland auch machen.«
Im Programm für die Landtagswahl 2018 in Hessen schrieb die AfD, dass sie es ablehne, »wenn Kindern die Akzeptanz vielfältiger sexueller Verhaltensweisen vermittelt und insbesondere Homosexualität und andere sexuelle Orientierungen (LSBTTIQ) als gleichwertige Erscheinungsformen menschlicher Sexualität dargestellt werden, noch dazu, wenn sie gleichberechtigt neben der gesetzlich geschützten Ehe stehen sollen«. Ganz in diesem Sinn forderte Christina Baum, AfD-MdB aus Baden-Württemberg, im Juni 2021, dass der CSD verboten gehört. Auf Facebook schrieb sie: »Zum Schutz unserer Kinder: Ich fordere ein Verbot des Christopher Street Day«. Im selben Monat wurde in zwei Ausschüssen des Bundestags eine Gesetzesinitiative der AfD zur Abschaffung der Ehe für homosexuelle Paar von allen anderen Parteien abgelehnt.
Der III. Weg verteilt in ganz Deutschland Flugblätter mit der Überschrift »Familien Schützen! Homo-Propaganda stoppen!« Darin heißt es unter anderem: »Mit reichlich Steuergeldern wird die Homosexualisierung der Gesellschaft vorangetrieben. Auf den Straßen durch Paraden wie den Christopher-Street-Day. Im Fernsehen durch Gestalten wie Conchita Wurst, in den Schulen durch Thematisierung der Homosexualität im Sexualkundeunterricht – selbst bei Kleinkindern.« Es ist zu erwarten, dass die neonazistische Kleinstpartei mit dem Flugblatt Abnehmer auf den zu erwartenden Demonstrationen gegen das Selbstbestimmungsgesetz finden wird.