Politisches Neuland

geschrieben von Tobias Alm, Kopenhagen

7. November 2022

Rechtsruck: Schwedendemokraten mit über 20 Prozent bei Parlamentswahl

Bei den Parlamentswahlen im September erreichten die extrem rechten Schwedendemokraten (SD) 21 Prozent der abgegebenen Stimmen und wurden damit zweitstärkste Kraft im Land. Mit diesem rechten Wahlerfolg betritt Schweden politisches Neuland; eine Überraschung war er allerdings nicht. Stetig haben die SD in den letzten Jahren an Stimmen und Popularität in der Bevölkerung dazugewonnen. Aus antifaschistischer Perspektive beziehen sich die damit verbundenen Herausforderungen jedoch nicht nur auf den Erfolg der SD, sondern ebenso auf das Agieren der anderen Parteien. Bis zur jüngsten Wahl gab es in Schweden einen breiten politischen Konsens, nicht mit den SD zusammenzuarbeiten. Einigkeit bestand auch darin, der populistischen Politik der Partei eine eindeutige Absage zu erteilen. Mittlerweile ist diese inhaltliche Distanz bei den meisten Parteien kaum noch zu erkennen.

Parteien öffnen sich

Mit ihrer Politik verfolgen die SD einen klassisch rechtspopulistischen Kurs. Der Vorsitzende, Jimmie Åkesson, ist das Aushängeschild der Partei und hat es geschafft, sich als einzige Vertretung der sogenannten kleinen Leute zu inszenieren. Die SD fordern eine sehr strenge Ausländer*innen- und Asylpolitik, sind islamfeindlich, propagieren einen EU-Austritt sowie konsequent »Law and Order«. In einer populistisch geführten Debatte um ein sogenanntes Bettelverbot schlugen die SD offen antiziganistische Töne an. Der nationalen Verteidigung und auch der Polizei sollen mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt und in Kulturfragen nationale bzw. schwedische Themen bevorzugt werden.

Doch nicht nur durch diese rechten Politikangeboten verzeichneten die SD in den letzten Jahren einen wachsenden Zuspruch. Festzustellen war darüber hinaus eine inhaltliche Öffnung der alteingesessenen Parteien gegenüber rechtspopulistischer »Law and Order«-Rhetorik. Steigende gesellschaftliche Herausforderungen mit Blick auf anhaltend hohe Todeszahlen durch Schusswaffen sowie eine sehr niedrige polizeiliche Aufklärungsrate bei Mordfällen begünstigten diese Entwicklung. Da viele dieser Taten in einem kriminellen Bandenmilieu stattfanden, das stark durch migrantisierte Personen geprägt ist, wurde die Forderung nach härteren Gesetzen oft mit einem rassistisch aufgeladenen Diskurs verbunden. Davon profitieren konnten letztlich die SD. Angesichts der vorausgesagten massiven Stimmengewinne bröckelte die Ablehnung der politischen Zusammenarbeit mit den Rechtspopulist*innen insbesondere bei den konservativen Parteien zusehends. Im Ergebnis wird Schweden nach der Wahl nun durch eine Minderheitsregierung, bestehend aus konservativen Moderaten, Christdemokraten und Liberalen, geführt. Die SD selbst werden zwar keine Minister*innenposten inne haben, erlangen aber einen enormen politischen Einfluss durch ihre -Position als Mehrheitsbeschafferin für die Regierung.

Rechte Mehrheitsbeschafferin

Die aktuelle Situation in Schweden erinnert damit stark an die politische Entwicklung ab 2001 im Nachbarland Dänemark. Auch dort war es ein »Mitte-rechts-Block«, der den Rechtspopulist*innen der neu gegründeten »Dänischen Volkspartei« (DVP) die Position einer Mehrheitsbeschafferin einräumte. Die DVP nutzte diese Schlüsselposi-tion und forderte etwa für jede ökonomische Steuererleichterung im Gegenzug Verschärfungen in der Ausländer*innen- und Asylgesetzgebung. Diese Strategie wurde zum Erfolgsmodell für die DVP, und die übrigen Parteien näherten sich den rechtspopulistischen Positionen immer weiter an. Diese parteiübergreifende Einigkeit und Zusammenarbeit in Dänemark führte über Jahre zu einer der schärfsten europäischen Asylgesetzgebungen, die in Teilen als offen rassistisch bezeichnet werden kann. Dass auch die SD in Schweden ihre Rolle als Menhrheitsbeschaffer nutzen werden, um eine rechte Agenda durchzusetzen, zeichnet sich bereits ab. Zu hoffen bleibt, dass die oppositionellen Parteien im schwedischen Parlament ihre Lehren aus den teils reaktionären und rassistischen Diskursverschiebungen in Dänemark ziehen und aus diesen Erfahrungen lernen.

Der Autor ist in der radikalen Linken in Dänemark aktiv und u. a. Auslandskorrespondent für das Antifaschistische Infoblatt (AIB). Seine letzte Veröffentlichung zum Thema gemeinsam mit Cordelia Heß (beide Herausgeber:innen): Rechtspopulismus kann tödlich sein! Entwicklung und Folgen des Rechtsrucks in Skandinavien. Edition Assemblage, 2013, 120 Seiten, 9,80 Euro