Prägender Antifaschist

geschrieben von Bernd Kant

7. November 2022

Vor 15 Jahren starb Kurt Julius Goldstein (1914–2007)

Wir erinnern an einen Antifaschisten, der wie wenige andere die Geschichte der antifaschistischen Organisationen in Ost und West mitgeprägt hat: Kurt Julius Goldstein. Geboren wurde er 1914 in Scharnhorst, heute ein Stadtteil von Dortmund. Er stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie, wobei er sehr früh seinen Vater verlor. Seine verwitwete Mutter zog mit ihm und seinen drei Brüdern 1923 nach Hamm (Westfalen). Schon früh organisierte sich Kurt in der politischen Jugendbewegung, zuerst im linken jüdischen Jugendbund »Kameraden« und der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). 1928 schloss er sich dem von Max Reimann geleiteten Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) an und wurde 1930 Mitglied der KPD. In seiner politischen Arbeit benutzte er den Tarnnamen »Kurt Berger«. 1932 wurde er »wegen kommunistischer Umtriebe« in Hamm der Schule verwiesen, konnte aber in Münster die Schule fortsetzen. Schon damals machte Goldstein Erfahrungen mit dem wachsenden Antisemitismus in Deutschland.

Nach dem Reichstagsbrand wurde er polizeilich gesucht, konnte aber bei einer Bergarbeiterfamilie in Scharnhorst untertauchen, so entging er der Verhaftung. Anschließend ging es zu Verwandten nach Luxemburg und später nach Paris. Im Auftrag der KPD schloss er sich dort der zionistischen Organisation Hechaluz an. In einem Hachschara-Lager bereitete er sich auf die Auswanderung nach Palästina vor, wo er sich von Juni 1935 bis zur Jahresmitte 1936 aufhielt. Als der Ruf zur Verteidigung der Spanischen Republik kam, ging er im Herbst 1936 nach Spanien zu den Internationalen Brigaden und arbeitete dort als Politkommissar in verschiedenen Einheiten.

Kurt Goldstein (hier auf dem VVN-BdA-Bundeskongress im Jahr 2004) starb am 24. September 2007 in Berlin. Seine Urne wurde in der Grabanlage Pergolenweg auf dem Friedhof Friedrichsfelde beigesetzt. Aus Anlass seines 100. Geburtstages zeigte das Internationale Auschwitz-Komitee eine Ausstellung über ihn.

Kurt Goldstein (hier auf dem VVN-BdA-Bundeskongress im Jahr 2004) starb am 24. September 2007 in Berlin. Seine Urne wurde in der Grabanlage Pergolenweg auf dem Friedhof Friedrichsfelde beigesetzt. Aus Anlass seines 100. Geburtstages zeigte das Internationale Auschwitz-Komitee eine Ausstellung über ihn.

Nach der Demobilisierung der Internationalen Brigaden 1938 und dem Sieg Francos 1939 wurde er im Februar 1939 zunächst im französischen Sammellager Saint-Cyprien (Pyrénées-Orientales) interniert, ab Mai 1939 in Gurs und nach Beginn der deutschen Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg als angeblicher deutscher Spion im Lager Le Vernet. Die deutschen Besatzer suchten im besetzten Teil und im unbesetzten Teil des Landes ehemalige Spanienkämpfer, gleichzeitig aber auch jüdische Emigranten, die in die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager verschleppt wurden. Im Juli 1942 wurde Kurt mit einem der Deportationstransporte aus dem Sammellager KZ Drancy in das KZ -Auschwitz verschleppt. Dort erhielt er die Häftlingsnummer 58866.

Er hatte insofern Glück, dass er als arbeitsfähig selektiert zur Zwangsarbeit in den Kohlengruben des Außenlagers Jawischowitz abkommandiert wurde. Aufgrund seiner politischen Erfahrungen und Organisationsfähigkeit wurde er von der SS als Kapo in diesem Arbeitskommando eingesetzt und mit dem Spitznamen »Judenkönig« versehen. Er nutzte seine Funktion, um selbst unter diesen Bedingungen Widerstand zu organisieren.

Im Winter 1944/45 wurde Auschwitz mit Todes-transporten ins KZ Buchenwald geräumt. Kurt erreichte Buchenwald im Januar 1945, wo er ebenfalls Kontakt zu den Widerstandsstrukturen aufbaute. So erlebte er am 11. April 1945 die Selbstbefreiung und leistete am 19. April 1945 den Schwur von Buchenwald, der bis zu seinem Lebensende seine politische Richtschnur blieb. Mit Ausnahme der engsten Familie und eines Cousins, der nach Palästina emigriert war, sowie eines Onkels und einer Tante starben alle Verwandten in der Shoah. In einem Interview berichtete er 1996, dass mehr als 50 seiner Verwandten von den Nationalsozialisten ermordet wurden.

Am 11. April 2010 wurde in Berlin-Hellersdorf ein Park nach Kurt Goldstein benannt.

Am 11. April 2010 wurde in Berlin-Hellersdorf ein Park nach Kurt Goldstein benannt.

Nach dem Krieg engagierte sich Kurt zuerst als Jugendsekretär der KPD, später als Vorsitzender des Landesjugendausschusses in Thüringen. 1946 kehrte er nach Dortmund zurück und arbeitete hier für die KPD. Später war er 1. Sekretär des FDJ-Zentralbüros in der BRD. Nach dem FDJ-Verbot ging er 1951 in die DDR. Dort heiratete Kurt Goldstein, dessen erste Frau 1947 gestorben war, Margot Wloch. Sie hatten vier Söhne. In der DDR arbeitete er in der Westabteilung des Zentralkommitees der SED und wechselte 1956 zum Rundfunk und war von 1969 bis 1978 Intendant. Auch seine antifaschistische Arbeit setzte er dort fort. 1976 wurde er Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, von 1982 bis 1991 Sekretär der FIR in Wien.

Nach dem Ende der DDR baute er den Interessenverband der Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, der Verfolgten des NS-Regimes und der Hinterbliebenen (IVVdN) mit auf, deren Ehrenvorsitzender er seit 1994 war. Auch in der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora engagierte er sich gegen die Versuche der geschichtspolitischen Abwicklung der Gedenkstätte. Als Zeitzeuge sprach er vielfach in Schulklassen und öffentlichen Veranstaltungen. Der Vereinigungskongress der deutschen antifaschistischen Verbände wählte ihn zum Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA. Auch staatliche Ehrungen wurden ihm zuteil. 1996 wurde er als Interbrigadist Ehrenbürger Spaniens. Im Mai 2005 erhielt er das »Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland«.