Rechte Vernetzung in Europa nicht bedroht

geschrieben von Martina Renner

8. November 2022

Gastkommentar von Martina Renner zu Ausreiseverboten gegen deutsche Neonazis

Wenn es darum geht, dass Behörden überhaupt auf die wachsende Gefahr der extremen Rechten reagieren, ist es eine gute Nachricht: Zwischen Anfang 2017 und Juli 2022 hat die Bundespolizei 49 Personen aus diesem Spektrum die Ausreise aus Deutschland nach Paragraf 10 des Passgesetzes untersagt. So die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von mir. Grund für die Maßnahmen war eine befürchtete »Ansehensschädigung« der BRD, weil die Neo-nazis offenbar an rechten Gedenk-, Musik- oder Kampfsportveranstaltungen im Ausland teilnehmen wollten. Dazu gehörten u. a. die Neonazibands Endstufe, Sleipnir und True Aggression, deren Auftritte in Italien und Tschechien abgesagt werden mussten. Die Ausreiseverweigerung ist keine neue Maßnahme der Behörden. Sie gehört spätestens seit militanten Attacken deutscher Fußballfans 1998 in Frankreich zum Instrumentarium gegen Hooligans. Doch auch Globalisierungskritiker*innen können davon ein Lied singen, wie linke Aktivist*innen, die nicht zu Gipfelprotesten im Ausland ausreisen durften.

Ein Blick in die Rechtsprechung zeigt jedoch, auf welch wackligen Beinen eine Ausreiseuntersagung steht. Denn besonders vermeintlich gewaltbereite Hooligans waren mit Einsprüchen dagegen immer wieder erfolgreich – wenn auch nur nachträglich.

Martina Renner (MdB) ist für die Linksfraktion im Bundestag Obfrau im Innenausschuss und Sprecherin für antifaschis-tische Politik. Foto: Büro Martina Renner

Martina Renner (MdB) ist für die Linksfraktion im Bundestag Obfrau im Innenausschuss und Sprecherin für antifaschis-tische Politik.
Foto: Büro Martina Renner

Ohnehin lässt die Antwort offen, wie vielen Neonazis die Ausreise eben nicht untersagt wurde, weil die Behörden einer längst veralteten Analyse der extrem rechten Szene anhängen oder schlicht nicht genau hinsehen. Schon vor dem Verbot des neonazistischen Netzwerkes »Combat 18« im Januar 2020 waren dessen europaweite Vernetzungen bekannt. Dazu gehörten auch Treffen im europäischen Ausland. Von Ausreiseuntersagungen ist hier jedoch ebenso wenig bekannt wie bei deutschen Rechts-Rock-Bands, die bei Konzerten des »Blood and Honour«-Netzwerks im Ausland auftraten. Solange die Bundesregierung sich nur um eine »Ansehensschädigung der Bundesrepublik Deutschland« im Ausland sorgt, ist die gefährliche Vernetzung deutscher Neonazis in Europa und darüber hinaus nicht bedroht.