Beschreibung hautnah

geschrieben von Michael Mallé

7. Januar 2023

Ein Band zur italienischen Resistenza und der Sozialistin Joyce Lussu

Bewegende Berichte aus der Resistenza lieferte das bereits 1945 in Italien veröffentlichte Buch »Fronti e Frontiere«. Christa Kofler hat es verdienstvollerweise über 75 Jahre später in deutscher Übersetzung unter dem Titel »Weite Wege in die Freiheit – Erinnerungen an die Resistenza« im österreichischen Mandelbaum-Verlag herausgegeben. In dem Band berichtet die Sozialistin Joyce Lussu, geboren 1912 als Gioconda Beatrice Salvadori, von den Erlebnissen italienischer Widerstandskämpfer*innen der Organisation »Giustizia e Libertà«, die ab 1929 äußert verstreut auf dem europäischen Kontinent wirkten.

Fluchthilfe organisiert

Ihre Erzähllung beginnt 1940 im noch nicht besetzten Frankreich. Lussu schildert die Enttäuschung vieler Französ*innen über die kampflose Übernahme großer Teile des Landes durch die faschistischen Truppen. Sie organisiert Fluchthilfe und entwickelt mit der Zeit ein Faible für Dokumentenfälschung. Mit ihrem Mann Emilio Lussu, ein bekannter antifaschistischer Parlamentarier Italiens, hatte sie einerseits große Schwierigkeiten, geeignete anonyme Unterkünfte zu finden. Sie verfügten aber andererseits durch ihre internationalen Kontakte über ausreichende finanzielle Mittel und konnten so die Flucht einiger Antifaschist*innen aus Frankreich und Spanien ermöglichen.

Joyce Lussu: Weite Wege in die Freiheit. Erinnerungen an die Resistenza. Herausgegeben und aus dem Italienischen übersetzt von Christa Kofler, Mandelbaum, Wien 2021, 286 Seiten, 20 Euro

Joyce Lussu: Weite Wege in die Freiheit. Erinnerungen an die Resistenza. Herausgegeben und aus dem Italienischen übersetzt von Christa Kofler, Mandelbaum, Wien 2021, 286 Seiten, 20 Euro

In ihrem Buch schildert Joyce ihren Weg von Frankreich über Spanien nach Portugal, die Schwierigkeiten, Bootsplätze für Illegale zu organisieren und die ständige Angst, in Kontrollen und damit in Haft zu geraten. Nach einem kurzen Intermezzo in England, wo die Lussus versuchten, die Westalliierten von einer Unterstützung des italienischen Widerstands zu überzeugen, landeten die beiden wieder in Frankreich, von wo sie 1943 nach Mussolinis Abgang den Grenzübertritt nach Italien wagten. Ihre Begegnungen mit teils desillusionierten italienischen Besatzungssoldaten in Frank-reich werden dabei eindrücklich geschildert. Als sich der Krieg dem Ende nähert, beschließt Joyce den Front-übertritt aus dem faschistischen Norditalien in den bereits befreiten Süden des Landes. Der Weg und die Schwierigkeiten, die auf diesem liegen, werden detailliert beschrieben. Allein solche Episoden machen das Buch zu einem lesenswerten Zeitdokument.

Starke Frauen im Fokus

Die Erzählung gliedert sich in zwölf Kapitel, die die Namen von starken Frauen tragen, die Joyce auf ihrem Weg in der Resistenza traf: Mitstreiterinnen, Vermieterinnen, Wegbegleiterinnen. Ihnen widmet sie ihre Erzählung. Sie strukturieren durch ihre Charakterisierungen den selten geradlinigen Weg der Lussus durch den antifaschistischen Untergrund. Den Abschluss dieses Buches bilden die biografischen Notizen der Übersetzerin Christa Kofler zu Joyce Lussu. Sie erhellen vieles und ordnen so ihren persönlichen Hintergrund und den ihres Mannes in das generelle Zeitgeschehen ein.