Hitlers Fürsprecher
7. Januar 2023
Der Weg ins Dritte Reich (Teil 3). Durch die Hinterzimmer an die Regierung
Schon im November 1932 hatten sich einflussreiche Fürsprecher aus Industrie, Handel und Banken für Hitler als Reichskanzler eingesetzt. Jene Kräfte beobachteten General Kurt von Schleichers Bestrebungen eines monarchistisch-reaktionären Herrschaftsumbaus mit Hilfe einer »Querfront«-Strategie eher mit Skepsis denn Wohlwollen. Während Reichskanzler Schleicher sich um die Einbindung von Sozialdemokraten, Gewerkschaften und Teilen der faschistischen Kräfte bemühte, begannen andere Gruppen der politischen Elite, eine direkte Machtbeteiligung Adolf Hitlers auszuloten.
Eine zentrale Figur wurde Franz von Papen, der immer noch das Vertrauen von Reichspräsident Paul von Hindenburg besaß und seine Ablösung als Reichskanzler nach der Novemberwahl 1932 nicht akzeptieren konnte. Am 16. Dezember 1932 entwickelte er im Berliner Herrenklub sein Konzept eines »Neuen Staats«. Daraufhin bot ihm der Vorsitzende des Kölner Herrenklubs, der Bankier Kurt Freiherr von Schröder, Mitglied des »Keppler-Kreises«, nachdem er mit weiteren Vertretern der Wirtschaft gesprochen hatte, die Vermittlung eines Gesprächs mit Hitler an. Das fand im Privathaus des Kölner Bankiers am 4. Januar 1933 statt. Anwesend waren Adolf Hitler, Franz von Papen, Rudolf Heß, Heinrich Himmler, Wilhelm Keppler und natürlich Kurt von Schröder. Hier erzielten die NSDAP und von Papen »ein prinzipielles Abkommen« über Personal und Politik einer Regierung, getragen von NSDAP, DNVP und von Papen, die das Kabinett Schleicher ablösen sollte. Im Sinne von Hitlers Machtanspruch sollte dieser Reichskanzler werden, Franz von Papen Vizekanzler.
Kurz darauf gab es zahlreiche Verhandlungen hinter den Kulissen. Wichtig war es, Hindenburg in eine solche Lösung einzubeziehen. Tatsächlich gab Hindenburg am 9. Januar 1933 seine Zustimmung zu Verhandlungen Papens (hinter dem Rücken des amtierenden Kanzlers) über eine Koalitionsregierung mit der NSDAP. Am 17. Januar 1933 fanden zum ersten Mal direkte Verhandlungen zwischen Hitler und Alfred Hugenberg, dem Vorsitzenden der DNVP statt. Hugenberg war zwar der Vorsitzende einer konkurrierenden Partei, aber über die »Ruhrlade«, mit der die zwölf einflussreichsten Ruhrindustriellen Gelder an politische Rechtsparteien verteilten, war er mit der NSDAP eng verbunden. Diese Kreise hofften, dass es Papen gelingen würde, die Nationalsozialisten zu »zähmen« und in eine Koalition unter seiner Führung zu zwingen.
Der ehemalige Kronprinz Wilhelm, der Gutsherr Elard von Oldenburg-Januschau und General Werner von Blomberg, ein Regimentskamerad Hindenburgs, setzten sich beim Reichspräsidenten für diese Lösung ein. Der stand Mitte Januar 1933 durch den »Osthilfe-Skandal« politisch unter Druck. Es gab massive Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe und Verwendung von Staatsgeldern für die ostelbischen Gutsbesitzer. Profiteure waren auch der Reichspräsident bzw. sein Sohn Oskar von Hindenburg, der Besitzer des Guts Neudeck, das der Vater – um die Erbschaftssteuer zu vermeiden – ihm bereits 1927 übertragen hatte. Hindenburg befürchtete, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss könnte seine persönliche Reputation beschädigen.
Laut Staatssekretär Otto Meissner seien Vorbehalte von Oskar von Hindenburg anlässlich eines Treffens mit Adolf Hitler am 22. Januar 1933 im Hause des späteren Außenministers Joachim von Ribbentrop ausgeräumt worden. Hitler versprach, als Reichskanzler sofort für die Auflösung des Reichstags und Neuwahlen einzutreten, so dass sich damit ein Untersuchungsausschuss zum »Osthilfe-Skandal« erledigt habe. Neben der Vizekanzlerschaft sollte Papen Reichskommissar für Preußen werden, Hermann Göring kommissarischer preußischer Innenminister. Der frühere thüringische NSDAP-Minister Wilhelm Frick war als Reichsinnenminister vorgesehen. Am 29. Januar verhandelte Papen mit Hugenberg und den Stahlhelm-Füh-rern Franz Seldte und Theodor Duesterberg über die Verteilung von Ministerposten. Selbst Mitglieder des Schleicher-Kabinetts stellten sich dem neuen Hitler-Papen-Hugenberg-Kabinett zur Verfügung.
Die vorgelegte Ministerliste war ganz im Sinne des Reichspräsidenten. Papen glaubte, mit den Ministern der anderen Rechtsparteien Hitler »einbinden« zu können. Daraufhin stimmte Reichspräsident Hindenburg zu und ernannte am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler, Franz von Papen zum Vizekanzler und die von ihm vorgeschlagenen Minister.
Wenn man diesen Ablauf betrachtet, dann wird eines deutlich. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler war weder eine »Machtergreifung«, schon gar keine »nationale Revolution«, wie es später in der faschistischen Selbstdarstellung hieß, sondern eine klare »Machteinsetzung« auf dem Wege eines neuen Präsidialkabinetts. Das erfolgte mit aktiver Unterstützung der nationalistischen und reaktionären Machtgruppen in Politik und Wirtschaft, die ein Interesse an der Umgestaltung der Weimarer Republik zum autoritären antiparlamentarischen Herrschaftssystems hatten. Diese Machtgruppen hatten sich für die reaktionärste Variante bürgerlicher Herrschaft entschieden, die nun mit Hilfe der NSDAP umgesetzt werden sollte.
Der Weg ins »Dritte Reich« begann nicht am 30. Januar 1933 mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, sondern lange vorher in der Weimarer Zeit, als mit dem Abbau sozialer und politischer Rechte die Voraussetzungen für eine faschistische Krisenlösung geschaffen wurden. In fünf Ausgaben der antifa soll an einige dieser Markierungspunkte erinnert werden, Voraussetzungen zur Machteinsetzung und zur Machtetablierung der faschistischen Herrschaft in Deutschland.
Die Teile 1 und 2 dieser fünfteiligen Serie erschienen in den antifa-Ausgaben September/Oktober und November/Dezember aus 2022.
Vom Verfasser erschien im PapyRossa-Verlag Köln ein Band mit mehr als 70 Quellen und Dokumenten unter dem Titel »Der Weg ins Dritte Reich – 1933«, 200 Seiten, 14,90 Euro. Er ist über den VVN-BdA-Webshop erhältlich: shop.vvn-bda.de
Siehe auch die Besprechung auf Seite 27