Schutz der Republik

geschrieben von Gerald Netzl

9. März 2023

Gründung des Republikanischen Schutzbunds vor 100 Jahren

Im Februar 1924 wurde in Magdeburg das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gegründet, im Juli 1924 in Halle/Saale der Rote Frontkämpferbund. Bereits ein Jahr zuvor war im kleinen Nachbarland Österreich der Republikanische Schutzbund als proletarische Selbstschutzorganisation geschaffen worden.

Das Ende des Ersten Weltkriegs hatte nicht nur einen Wechsel der Staatsform von der Monarchie zur Republik gebracht, es fand vor allem eine veritable Machtverschiebung im Staat statt. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die einzige Partei mit klaren Vorstellungen und politischen Zielen, entschloss sich, verlässliche, republikanisch gesinnte Elemente der sich auflösenden k. u. k. Armee zur »Volkswehr« zusammenzufassen. Die Volkswehr sollte nach den Plänen der Partei sowohl eine revolutionäre Entwicklung, wie in Russland, als auch eine konterrevolutionäre, reaktionäre Entwicklung verhindern. Für die Konservativen im Land trug die Armee der jungen Republik dennoch den Makel einer revolutionären Einrichtung. Mit dem Friedensvertrag von St. Germain-en-Laye musste Österreich sein Heer verkleinern. Als die Koalition aus Sozialdemokraten und Christlichsozialen im Oktober 1920 zerbrach, begann sehr bald eine als »Entpolitisierung« bezeichnete Umpolung des neuen Bundesheeres, seiner Soldaten und Offiziere, von republikanisch-sozialdemokratisch auf antirepublikanisch-konservativ.

Zeitgenössisches Plakat des republikanischen Schutzbunds aus den 1920er Jahren

Zeitgenössisches Plakat des republikanischen Schutzbunds aus den 1920er Jahren

Schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg waren in mehreren österreichischen Bundesländern paramilitärische Formationen entstanden, die zunächst vor allem im Abwehrkampf an den Staatsgrenzen (Kärnten, Steiermark, Burgenland) auftraten. Diese Verbände wurden zu »Heimwehren« zusammengefasst, die im Verlauf der 1920er-Jahre zunehmend die ArbeiterInnenbewegung als (innenpolitischen) Hauptgegner definierten. Daneben bestanden in den Industriegebieten in der Umbruchzeit bewaffnete Arbeiter- und Fabrikswehren.

Die innenpolitischen Machtverhältnisse hatten sich schon Anfang der 1920er-Jahre gedreht, die Sozialdemokratie verlor ihre dominante Position, nun war ihr Ziel, zumindest das Gleichgewicht der Klassenkräfte zu halten. Im November 1922 fand in der Wiener Neustadt eine Konferenz zum Thema »Die Wehrhaftmachung des Proletariats« statt, an der Vertreter der Partei, der Arbeitersportorganisationen, der Sozialistischen Arbeiterjugend und der Kinderfreunde teilnahmen. Die Gründung des »Republikanischen Schutzbunds« war der konsequente nächste Schritt, hatte allerdings eine tragische Vorgeschichte: Der 44-jährige Betriebsrat Franz Birn-ecker wurde am 17. Februar 1923 bei einer Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten erschossen, zwei weitere Arbeiter verletzt. Unter dem Eindruck dieses Ereignisses wurde am 19. Februar 1923 in Wien der »Republikanische Schutzbund« konstituiert.

Zunächst als Ordner- und Schutzorganisation für sozialdemokratische Veranstaltungen gedacht, trat die Verteidigung der Republik und ihrer Errungenschaften immer mehr in den Vordergrund der Aufgaben und Ziele des Schutzbunds. In den ersten fünfeinhalb Jahren seines Bestehens hatte er einen eher vereinsmäßigen als streng militärischen Charakter. Der Schutzbund war, ebenso wie die Heimwehren, einheitlich uniformiert, in Kompanien, Bataillone und Regimenter gegliedert und relativ gut mit Infanteriewaffen aus ehemaligen k. u. k. Beständen ausgerüstet – das war einer der großen Unterschiede zum Reichsbanner in Deutschland.

Ihre größte Stärke erreichte die Organisation im Jahr 1928 mit etwa 80.000 Mitgliedern, vor allem in Wien, der Steiermark sowie in den Industriegebieten Nieder- und Oberösterreichs. Mit Beginn der 1930er-Jahre verlor der Republikanische Schutzbund nicht zuletzt durch die negativen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf das Proletariat und seine Organisationen zusehends an Schlagkraft. Die Regierung Dollfuß sah in ihm dennoch ein Hindernis auf ihrem Weg zum autoritären Ständestaat und löste ihn 30./31. März 1933 auf. Die Organisation blieb jedoch in der Illegalität, in der sie ca. ein Drittel ihrer Mitglieder verlor, bestehen und begann am 12. Februar 1934 in Linz den – allerdings bereits aussichtslosen – Kampf gegen eine zum Äußersten entschlossene Regierung, die sich auf das Bundesheer, die Polizei und die Heimwehren stützen konnte. Der ausbleibende Generalstreik war mitentscheidend, dass der Aufstand erfolglos blieb. 1934 waren die letzten kriegsgedienten Soldaten alle über 35 Jahre alt, d. h. fast alle 18- bis 35-Jährigen hatten mangels Wehrpflicht keine militärische Ausbildung. Das konnte durch Arbeitersportvereine und Schützenvereine nicht wettgemacht werden.