Metaphorische Affen

geschrieben von Alena Lagmöller

29. April 2023

Zum Plädoyer der Bundesanwaltschaft im Antifa-Ost-Verfahren

Erinnern Sie sich noch an 2015? Es war das Jahr, in dem die ersten Geflüchteten aus Syrien in Deutschland ankamen und tausende »Besorgte« zu Pegida-Veranstaltungen strömten. Die Welt war eine andere. Geht es nach der Bundesanwaltschaft wird Lina E., Hauptangeklagte im Antifa-Ost-Prozess, erst in acht Jahren in einer ebenso veränderten Welt das Gefängnis verlassen.

Die Bundesanwaltschaft erinnert durch ihre Beweisführung an die metaphorischen Affen, die wahlweise nichts hören, nichts sehen oder nichts sagen: Entlastungsbeweise wurden nicht zureichend gewürdigt, über Widersprüche wurde mit Nonchalance hinweggegangen. Und schließlich hat man dann auch nicht zu intensiv nachgefragt, wenn sich die illustre Zeugenschar aus gewaltbereiten Neonazis und einem »Szeneaussteiger« im Zeugenschutzprogramm entweder an überhaupt nichts erinnerte oder scheinbar wahllos Personen vom Sprayer bis zum Fußballfan als Komplizen der sonst so klandestinen kriminellen Vereinigung nannte.

Die Schwierigkeiten beginnen bereits bei der Uferlosigkeit des Tatbestands Paragraph 129 StGB (Bildung einer kriminellen Vereinigung), der in Anschlag gebracht werden kann, wenn mehrere Menschen sich zusammenschließen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen und dazu Straftaten begehen (aber auch nicht muss, denn Rechte sind manchmal auch in Gruppen unterwegs). Hinzu trat die Tendenz der Bundesanwaltschaft, Beweise durch Hypothesen zu ersetzen. Am Ende genügte deshalb auch ein Konvolut schwacher Indizien, deren Gesamtwürdigung zumindest der Bundesanwaltschaft über offene Fragen, Widersprüche und Leerstellen hinweghalf. Acht Jahre – Ralf Wohlleben erhielt für seine Beihilfe zu den neun Morden des NSU zehn Jahre Freiheitsstrafe. Der Rechtsstaat hat sich im Antifa-Ost-Verfahren ein Armutszeugnis ausgestellt.

Lina E. sitzt seit über zwei Jahren in U-Haft. Nun hat die Bundesanwaltschaft eine maßlose Strafe von acht Jahren gefordert. Kommt am Samstag nach der Urteilsverkündung (vermutlich im Juni) zur TagX-Demo! Siehe tagXantifaost.noblogs.org

Siehe auch Interview mit der Verteidigung im Antifa-Ost-Verfahren in der Januar-/Februarausgabe der antifa: antifa.vvn-bda.de/2023/01/07/ein-staatsschutz-prozess/