Bergauf zum Dorf

geschrieben von Johanna Jawinsky

13. September 2023

Eine Wanderung zum Denkmal eines Partisanen in der Region Emilia-Romagna

Im April dieses Jahres war ich bei meiner Tochter Katrin in Satuorano in der Nähe von Piacenza zu Besuch. Dort lernte ich ihre Freundin Anja kennen. Diese nimmt alljährlich am Tag der Befreiung in Italien, am 25. April, an einer von den Antifaschisten der Region Emilia-Romagna organisierten Wanderung teil. Einige Wochen vorher setzt sich der Vorstand der Gruppe zusammen und berät über das Ziel der Wanderung: ein Denkmal für Partisanen, die für die Freiheit gefallen sind. In diesem Jahr war der Abschluss unserer 18-Kilometer-Wanderung die Gemeinde Ruino.

Bereits beim Start im kleinen Ort Nibbiano wurde an einem Gedenkstein Halt gemacht. Frische Blumen lagen schon dort. Während einer großen Razzia der Deutschen im November 1944 kam eine deutsche Kolonne in Nibbiano an. Einige Partisanen versteckten sich in der Gemeinde, doch sie wurden verraten. Neun von ihnen wurden hingerichtet. Der älteste Partisan Angelo Pante aus Lamon di Bullino war da gerade 29 Jahre alt, der jüngste war Alessandro Coti Zelati mit 18 Jahren.

Maximilio Bengali aus Nibbiano, kurz Max gerufen, las über die Geschichten der Partisanen während der Wanderung aus einem vor zwei Jahren erschienenen Buch über die Resistenza im Piacentino und Oltrepò Pavese vor. Durch Weinhänge, Bergwiesen und Waldstücke ging es dann bergauf zum Dorf Ruino, mit herrlichen Ausblicken in die Apenninen der Regionen Emilia-Romagna und der Lombardei. Unser Ziel war der Gedenkstein für den am 29. Januar 1945 getöteten Partisanen Ennio Delmonte. Max las die Augenzeugenberichte vor, die auch vom Tod des damals 21jährigen berichten.

Am Gedenkstein für Ennio Delmonto.

Am Gedenkstein für Ennio Delmonto.

Maria Gatta, geboren 1931, lebte 1944 in Cascina Pareto, unterhalb der Siedlung Ruino und erinnerte sich daran, dass ihr Schwager Renzo Cavanna und Alessandro Magri nicht weit von Pareto im Wald in einem Graben namens »i runchet« ein Loch gebaut hatten, in dem sich Partisanen versteckten. Als 13jährige brachte sie ihnen Verpflegung. Giuseppe Rocca, damals gerade einmal sieben Jahre alt, erinnert sich noch genau an die Erschießung von Ennio Delmonte: In der Nähe der Kirche von Ruino half er seinem Vater beim Holzhacken, als er vier Deutsche zu Fuß auf sie zukommen sah. Eine Gruppe von etwa zehn Partisanen, die sich in der Nähe des Carlen-Hauses aufhielt und die Deutschen kurz zuvor entdeckt hatte, teilte sich auf: Einige gingen einen Karrenweg hinunter, der zur »Fontana« führte. Als die Deutschen in der Nähe der Kirche ankamen und in Richtung Pareto schauten, bemerkten sie eine Gruppe von Menschen und schossen. Rocca hörte vier Schüsse aus der Wehrmachtswaffe Mauser Kar98 K. Nach einigen Minuten sah er einen Deutschen vorbeigehen, der mit langem und schnellem Schritt in Richtung Karmin ging, um seine Kameraden zu warnen. Tatsächlich kamen kurz darauf zehn weitere Deutsche zurück und gingen zu der Stelle, an der Delmonte erschossen worden war, und nahmen in der Nähe einige seiner Kameraden gefangen.

Ugo Scagni berichtet: In der Nähe von Ruino erschossen sie am 29. Januar Ennio Delmonte aus Matteotino »und nahmen drei seiner Kameraden gefangen. Er erklärte, dass die gefangenen Partisanen in die Schule in Torre degli Alberi gebracht und dort eingesperrt wurden. Am nächsten Tag ging die deutsche Garnison nach Nibbiano und ließ eine Wache zurück, die die eingesperrten Kameraden bewachen sollten, es kam zu einem Schusswechsel zwischen Partisanen und Deutschen. Der Vater von Giuliano Dossena, der aus Torre degli Alberi stammte, vermittelte und überzeugte die Deutschen, dass sie ihr Leben retten würden, wenn sie die Partisanen freiließen. Die Deutschen befürchteten, überwältigt zu werden und akzeptierten den Vorschlag und ließen die gefangenen Partisanen frei, so dass es zu keinem weiteren Blutvergießen kam.« (1)

Auf dem Denkmal in Ruino ist Delmonte mit wachem freundlichem Blick abgebildet. Nur wenige Wochen vor Kriegsende war er für die Befreiung seiner Heimat gefallen. Auf dem Denkmal steht: »Die Gemeinde Montù Beccaria gedenkt des 21jährigen Partisanen Ennio Delmonte, der am 29. Januar 1945 für die Freiheit starb.« Nach der Niederlegung von Blumen und einer Gedenkminute trafen wir uns auf einem Picknickplatz in der Nähe der Kirche. Alle hatten etwas mitgebracht: Wein, Brot, Käse, Lasagne, Kuchen und andere Köstlichkeiten. Während der Rast tauschten wir Erfahrungen aus, so wurde die Autorin dieser Zeilen gefragt, wie sie die Nazizeit in Deutschland erlebte und sie berichtete auch über die Tätigkeit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) in Rostock.

Uns alle bewegte tief, dass die noch so jungen Menschen ihr Leben lassen mussten. Anja fand es sehr wichtig, ihrer zu gedenken, zumal es noch Menschen gibt, die meinen, Mussolini und italienische Faschisten seien nicht so schlimm gewesen wie die Deutschen, und möchten nicht wahrhaben, dass in seinen Kolonialkriegen hunderttausende Einheimische in Albanien und Äthiopien umgebracht und in italienischen Konzentrationslagern 40.000 Juden und 30.000 italienische Soldaten, die sich weigerten, mit deutschen Soldaten zu kämpfen, ermordet worden sind. (2)

Der Tag der Befreiung Italiens am 25. April 1945 ist einer der wichtigsten Feiertage in Italien. Gedacht wird an diesem Tag vor allem der bewaffneten Aufstände gegen die deutsche Wehrmacht, die den Vormarsch der Alliierten unterstützten. Nord-italienische Städte wie Genua und Mailand konnten von den Partisanen der Resistenza einige Tage vor dem Eintreffen der alliierten Truppen von der deutschen Besatzung befreit werden. So wie in anderen -Regionen auch, ist es im Piacentino, einer Hügel- und Berglandschaft der Apenninen, ca. 70 Kilometer südlich von Mailand, Tradition, an diesem Tag der gefallenen Partisanen zu gedenken.

(1) Aus dem Buch von Antonio Magri »Mit Herzblut auf den Hügeln«, Interview zum Widerstand – der Resistenza – in den Apenninen des Piacentino und Oltrepò Pavese

(2) Dr. Gerhard Feldbauer: Vor 140 Jahren wurde Benito Mussolini geboren – Als faschistischer Diktator vom Oktober 1922 bis April 1945 beging er die barbarischsten Verbrechen