Das Gemeinsame im Blick

geschrieben von Regina Girod

11. Januar 2024

Eindrücke vom 19. Kongress der FIR in Barcelona

Vom 27. bis 29. Oktober fand in Barcelona der 19. Kongress der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer statt, an dem fast 100 Delegierte und Gäste aus ganz Europa und Marokko teilnahmen. Corona-bedingt waren seit dem 18. Kongress bereits vier Jahre vergangen. Höchste Zeit also für Rechenschaftslegung, Neuwahlen und persönliche Begegnungen, bei denen Standpunkte und Erfahrungen antifaschistischer Kämpfe unter schwierigen Bedingungen ausgetauscht werden konnten.

Mit großer Disziplin absolvierten die Delegierten am Sonnabend ihr Kongresspensum, verabschiedeten vier Resolutionen zu brennenden Themen der Gegenwart und wählten einstimmig einen neuen Exekutivausschuss, dem neben den bisherigen Mitgliedern auch fünf weitere Mitglieder aus Belgien, Griechenland, Serbien, der Slowakei und Spanien angehören. Seit dem letzten Kongress in Reggio Emilia war ich als Vertreterin der VVN-BdA Mitglied des Exekutivausschusses. In Barcelona wurde ich nun zur Vizepräsidentin der FIR gewählt; mein Arbeitsgebiet wird die Koordinierung antifaschistischer Aktionen in Europa sein. Auf dem Kongress zeigte sich, dass die in der FIR in den letzten Jahrzehnten entstandene Kultur, solidarisch und ohne Abwertung mit divergierenden Positionen umzugehen, dabei aber immer das Gemeinsame im Blick zu behalten, sich auch unter den aktuellen Bedingungen bewährt. Für mich war das eine ermutigende Erfahrung.

Mitglieder des neu gewählten Exekutivausschusses der FIR am Denkmal für Franco-Opfer in Barcelona; 2. v. r. Carles Vallejo (auch Vorsitzender des katalanischen Verbandes der politischen Gefangenen des -Franquismus).

Mitglieder des neu gewählten Exekutivausschusses der FIR am Denkmal für Franco-Opfer in Barcelona; 2. v. r. Carles Vallejo (auch Vorsitzender des katalanischen Verbandes der politischen Gefangenen des -Franquismus).

Interessant waren für mich auch die Einblicke in die aktuelle politische Situation Kataloniens. Zum Kongressprogramm am Sonntag gehörte die Teilnahme der Delegierten und Gäste an der Gedenkveranstaltung aus Anlass des 85. Jahrestages der »Despedida«, der erzwungenen Abreise der Internationalen Brigaden aus Barcelona. Als Mitglied des deutschen Vereins »Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936–1939« hatte ich diese Ehrung schon mehrmals miterlebt. Die Beteiligung von Politikerinnen der Stadt- und Regionalregierung mit eindrucksvollen Redebeiträgen war jedoch neu für mich. Auch finanziell wird die Veranstaltung jetzt von staatlichen Stellen unterstützt.

Am Vormittag hatten die Teilnehmer*innen des FIR-Kongresses bereits am Yachthafen der Stadt einen Kranz an einem Denkmal für die mehr als 1.700 Opfer der Franco-Diktatur niedergelegt, die in den Jahren von 1939 bis 1953 an dieser Stelle erschossen und ins Meer geworfen worden waren. Auf dem eindrucksvollen »Parapet of executed«, einer langen hohen Wand, sind die Namen aller Opfer eingraviert. Das Denkmal wurde 2019 eingeweiht.

Offensichtlich hat die Erinnerung an den Kampf gegen Franco für das heute in Katalonien regierende Linksbündnis große Bedeutung. Jahrzehnte nach der Errichtung der faschistischen Diktatur fördert es ein demokratisches Bewusstsein in der Gesellschaft, das auch das Erbe der 2. Spanischen Republik einschließt. Es wird aber nicht nur von jenen getragen, die die Unabhängigkeit Kataloniens befürworten. Die regierende sozialistische Partei (PSOE) unter Ministerpräsident Pedro Sánchez, entschiedene Gegnerin aller Unabhängigkeitsbestrebungen, hat Initiativen wie die Exhumierung und Identifizierung tausender ermordeter Franco-Gegner, die viele Jahre lang nur von Freiwilligen getragen wurden, zur staatlichen Aufgabe gemacht. Unter anderem darüber sprach Fernando Martínez, Staatssekretär für Gedenken der Zentralregierung, in seinem Gastbeitrag auf dem FIR-Kongress, zu dem er extra aus Madrid angereist war.

Insgesamt ähnelt die politische Situation in -Spanien jedoch der in vielen europäischen Ländern. Die faschistoide Vox-Partei stellt aktuell im Bündnis mit dem konservativen Partido Popular (PP) die Regionalregierungen in fünf Regionen und Leitung von 135 Gemeinden. Gemma Ubasart, Ministerin der Regionalregierung Kataloniens für Gerechtigkeit, Rechte und Gedenken, die als Gast auf dem FIR-Kongress und auf der Veranstaltung zur »Despedida« sprach, betonte aber, dass die Erfahrungen in Katalonien zeigen, dass der Rechtsentwicklung entgegengetreten werden kann.

Dass diese Erfahrungen künftig auch stärker in die Arbeit der FIR einfließen können, ist ebenfalls ein positives Ergebnis des Kongresses in Barcelona. Carles Vallejo, der Vorsitzende des katalanischen Verbandes der politischen Gefangenen des -Franquismus, gehört jetzt dem Exekutivausschuss der FIR an.