Einflussreiche Förderer
11. Januar 2024
Daniel Halemba: Skandal um den jüngsten AfD-Abgeordneten im Bayerischen Landtag
Skandale ihrer Mandatsträger kann sich die AfD gerade eigentlich nicht leisten. Jeder weitere Fall, der an die Öffentlichkeit kommt, erhöht den Druck für ein Verbot der Partei. In mehreren Bundesländern wird die Partei vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. In Bayern hat nun ein aufsehenerregender Fall die AfD erschüttert. Der 22jährige Daniel Halemba ist im Oktober als jüngster Abgeordneter in den Bayerischen Landtag gewählt worden. Noch vor der konstituierenden Sitzung am 30. Oktober wurde er allerdings wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verhaftet und musste der Sitzung deshalb fernbleiben.
Ein gewisses Geschmäckle hatte der Fall Halemba schon länger, die Rede ist von parteiinternen Intrigen, Paktierereien und Einschüchterungen: Bereits bei seiner Kandidatenaufstellung zur Landtagswahl im November 2022 soll es zu Unstimmigkeiten gekommen sein, T-Online hatte die Hintergründe zur Aufstellung recherchiert. So sei Halemba in Begleitung von mehreren Neumitgliedern aus dem Burschenschaftsmilieu überraschend bei der Versammlung des Wahlkreises 604 (Unterfranken Nord) aufgetaucht und soll dort gefordert haben, als Kandidat aufgestellt zu werden. Außerdem sollten die Begleiter mitwählen dürfen, obwohl sie genau wie Halemba teils Mitglieder des benachbarten AfD-Kreisverbandes Würzburg gewesen sein sollen und damit bei dieser Versammlung eigentlich nicht wahlberechtigt waren.
Laut Beschluss der Wahlaufsicht der Bezirksregierung musste die Aufstellungsversammlung schließlich wiederholt werden. Im März 2023 trat der Kreisverband Unterfranken Nord erneut zusammen und wiederholte die Wahl. Anwesende berichteten T-Online, dass Halemba »von mehr als einem Dutzend Mitgliedern« der Jungen Alternative (JA) unterstützt wurde, also der AfD-nahen Jugendorganisation. Halemba wurde schließlich auf Platz zwei der Liste gewählt. Halemba sei laut T-Online Teil eines Netzwerks junger extremer Rechter, »das von Burschenschaftern aus Würzburg« und der JA »dominiert wird«. Es habe »einflussreiche Förderer in den Spitzen der Landes-AfD«, von denen viele zum neonazistischen »Flügel« der Partei zählen.
Halemba ist in der polnischen Kleinstadt Mikołów geboren. Seine Familie kam 2004 ins badische Wertheim, er ist zum Jurastudium nach Würzburg gezogen, ohne es abzuschließen. 2021 wurde Halemba Mitglied der extrem rechten Burschenschaft »Teutonia Prag« zu Würzburg. Im Haus der Burschenschaft hatte er genau wie einige der jungen Männer, die ihn zu der Listenaufstellung begleitet haben, einen angegebenen Wohnsitz. Nachbarn hatten bei einer Feier im Haus der Burschenschaft laute »Sieg Heil«-Rufe gehört und die Polizei gerufen. Außerdem gaben sie an, immer wieder laute Rechtsrockmusik gehört zu haben. Das Haus der Burschenschaft wurde am 14. September 2023 im Rahmen einer bundesweiten Aktion gegen Rechtsrockstrukturen von der Polizei durchsucht.
Bei der Razzia wurde laut Staatsanwaltschaft ein Gästebuch beschlagnahmt – mit einem Eintrag »Sieg Heil«, den Halemba angefertigt haben soll. In seinem Zimmer hing ein Poster mit einem »Lebensborn«-Befehl des Reichsführers SS Heinrich Himmler (siehe Marginalie).
Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt gegen Halemba wegen Volksverhetzung und dem Zeigen von verfassungsfeindlichen Symbolen. Weil sich Halemba durch Flucht der Staatsanwaltschaft entzogen hatte, wurde er per Haftbefehl gesucht. Nachdem die Vorwürfe öffentlich wurden, forderte der AfD-Bundesvorstand den bayrischen Landesverband auf, Halemba auszuschließen. Kurz vor dessen Sitzung Ende Dezember gab Halemba dann bekannt, dass er sämtliche Parteiämter abgeben werde. Sein Mandat als Landtagsabgeordneter will er allerdings nicht niederlegen. Sollte er aus der AfD ausgeschlossen werden, wäre er wahrscheinlich auch nicht mehr Mitglied der AfD-Fraktion. Dadurch wäre die AfD nicht mehr die stärkste Oppositionspartei im Landtag und würde verschiedene Rechte an die Grünen verlieren.
Am Tag der konstituierenden Sitzung des Bayerischen Landtags am 30. Oktober wurde Halemba in der Nähe von Stuttgart verhaftet. Da die Verhaftung einige Stunden vor der Konstituierung des Landtags stattfand, musste seine Immunität nicht aufgehoben werden. Gegen Auflagen wurde der Haftbefehl gegen Halemba kurze Zeit später wieder aufgehoben. Bei der Anhörung im Amtsgericht Würzburg wurde er von dem Freiburger Rechtsanwalt Dubravko Mandic begleitet. Mandic war lange in der AfD aktiv und gehörte zu den Netzwerkern, die die Partei für Burschenschaften und die »Identitäre Bewegung« öffnen wollen. Im Auftrag seines Mandanten hatte er beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde eingereicht, um den Haftbefehl aufheben zu lassen.
Der Fall Halemba zeigt deutlich, wie eng die Verbindungen zwischen JA und den Burschenschaften sind. Halemba ist auch im Vorstand des bayrischen Landesverbands der JA. Da die JA eine eigenständige Organisation ist, gilt der Rücktritt Halembas von den Parteiämtern nicht für die Jugendorganisation.
»Lebensborn«
Im »Lebensborn e. V.« sollten nach Himmler unverheiratete schwangere Frauen, die den Kriterien der SS entsprachen, anonym entbinden können. Außerdem war der »Lebensborn« zuständig für die Entführung mehrerer hundert Kinder aus Polen und der Tschechoslowakei, die dann kinderlosen Paaren der SS übergeben wurden.
Wir empfehlen zu »Lebensborn« die Literatur von Dorothee Schmitz-Köster (siehe auch antifa-Ausgabe Juli/August 2021 sowie schmitz-koester.de).