Kämpfer gegen NS-Verbrecher

geschrieben von Gerald Netzl

11. Januar 2024

Vor 115 Jahren wurde Simon Wiesenthal geboren

Vor 115 Jahren, am 31. Dezember 1908, wurde im altösterreichischen, heute ukrainischen Städtchen Butschatsch Simon Wiesenthal geboren. Simon Wiesenthal war eine der bedeutenden Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.

Tod nur knapp entronnen

Die Familie Wiesenthal floh nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 vor den zaristischen Truppen nach Wien, wo Simon die Volksschule besuchte. Nach dem Krieg fiel Butschatsch an die Republik Polen. Dort absolvierte er das Gymnasium, um anschließend in Prag Architektur zu studieren. Ab 1932 lebte er in Lwów (Lwiw, Lemberg). Dieses wurde 1939, gemäß dem Hitler-Stalin-Pakt, -sowjetisch besetzt. Anfangs wurde er von den neuen Machthabern schlecht behandelt, konnte sich dann aber etablieren. Die große Zäsur brachte der Überfall der Naziwehrmacht am 22. Juni 1941. 170.000 Jüdinnen und Juden lebten damals noch in der Stadt – nach der Befreiung vom Naziterror sollten es nur mehr 3.400 sein. Dank menschlicher deutscher Vorgesetzter überlebte Wiesenthal die Zwangsarbeit 1941–1943 in Lemberg. Im September 1943 floh er aus der Zwangsarbeit, versteckte sich, wurde jedoch am 13. Juni 1944 verhaftet. Es folgte die Verschleppung in Konzentrationslager in Krakau, Groß-Rosen und von Mitte Februar 1945 bis zu seiner Befreiung nach Mauthausen (in Auschwitz war er nie). Simon Wiesenthal ist dem Tod nur knapp entronnen.

Schon bald nach der Befreiung wurde er für einen US-Geheimdienst tätig und wirkte unter anderem 1947 an der Verhaftung Franz Murers, des »Schlächters von Wilna«, mit. Bis Ende 1952 dürfte er an die 200 NS-Kriegsverbrecher ausfindig gemacht und vor Gericht gebracht haben. Wiesenthal war auch in der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Linz, wo er bis zur Übersiedlung nach Wien wohnte, tätig und wurde 1957 zu deren Vizepräsidenten gewählt. Simon Wiesenthal war Zeit seines Lebens ein Konservativer. In den 1960er-Jahren war die IKG Wien sozialistisch (sozialdemokratisch) dominiert. 1963 kandidierte Wiesenthal mit einer eigenen Liste bei der Wahl der IKG Wien, blieb damit aber in der Minderheit. Er lag im Clinch mit der IKG Wien.

Einer seiner größten Fahndungserfolge war die Ausforschung (1964) und Auslieferung (1967) von Franz Stangl, ehemaliger Kommandant der Vernichtungsorte Sobibor und Treblinka, aus Brasilien. Nach der Verurteilung zu lebenslanger Haft starb Stangl bald an Herzversagen in der Haft.

Darf man dem Biografen Tom Segev glauben, dann griff SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky Wiesenthal wegen seiner Methoden an, die er nicht guthieß. Wiesenthal griff seinerseits Kreisky an, weil dieser ehemalige NSDAP-Mitglieder in seine Regierung aufnahm und – nach Meinung Wiesen-thals – Israel nicht unterstützte. Dazu muss man wissen, dass Wiesenthal zuvor zur NS-Vergangenheit von ÖVP-Ministern öffentlich geschwiegen hatte. Vor der Nationalratswahl 1975 schrieb Wiesenthal an jüdische Freunde: »Kreisky ist Verräter der jüdischen Nation und der Demokratie«. Auch hatte er ein Dossier über den FPÖ-Obmann Friedrich Peter und dessen Rolle in der SS vorbereitet. Damit wollte er an die Öffentlichkeit gehen, falls die SPÖ die absolute Mehrheit verliert, um eine Koalition von SPÖ und FPÖ zu verhindern.

Hoffnung auf Friedensnobelpreis

Tom Segev schreibt, Wiesenthal ging nur dann an die Öffentlichkeit, wenn er Beweise für Verbrechen hatte. Die hatte er bei Friedrich Peter nicht. Ging er wegen Bruno Kreisky an die Öffentlichkeit? Auch in der Affäre Kurt Waldheim 1986 ff. hat sich Simon Wiesenthal lange zurückgehalten – was ihm schwere Kritik des World Jewish Congress eintrug. Die Unterstützung Kurt Waldheims könnte Simon Wiesenthal die Verleihung des Friedensnobelpreises gekostet haben. Diesen erhielt der Auschwitz- und Buchenwald-Überlebende Elie Wiesel 1986 – Simon Wiesenthal machte sich Hoffnungen darauf. Simon Wiesenthal starb nach einem arbeitsreichen Leben am 20. September 2005 in Wien und wurde auf seinen Wunsch in Herzlia in Israel begraben.

1977 wurde das nach ihm benannte Simon Wiesenthal Center mit Hauptsitz in Los Angeles gegründet. 1995 wurde er Ehrenbürger der Stadt Wien. Seit 1996 ist eine Gasse in Wien nach ihm benannt, seit 2022 wird in Österreich der Simon-Wiesenthal-Preis für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus vergeben.

Simon Wiesenthal
(31. Dezember 1908–20. September 2005)