Mit Hasspolitik Faschisten kultivieren

geschrieben von Gerrit Hoekman

11. Januar 2024

Der Rassist Geert Wilders hat die Parlamentswahlen in den Niederlanden gewonnen

Bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden am 22. November 2023 wurde die Partij voor de Vrijheid (Partei für die Freiheit, PVV) des rechten Politikers und Islamhassers Geert Wilders mit Abstand stärkste Kraft. Sie konnte die Anzahl ihrer Sitze fast verdoppeln. Ganz unerwartet kam der Erfolg nicht, nur die Höhe des Sieges war überraschend. Der Rechtspopulist profitierte davon, dass die Asylpolitik ein zentrales Thema im Wahlkampf war. Ein Feld, das Wilders schon seit mehr als einem Jahrzehnt intensiv beackert.

»In Westeuropa sieht man, dass die etablierten konservativen Parteien nervös werden, weil sie Wähler an die extreme Rechte verlieren. Sie übernehmen also einen Teil der Hasspolitik (…) und kultivieren faschistische Parteien noch mehr«, analysierte die friesische Abteilung der Anti-Fascistische Aktie (Antifaschistische Aktion, AFA) auf ihrer Homepage das Erstarken der neuen Rechten. Extrem rechte Parteien wie die PVV und das sogar noch weiter rechts stehende Forum voor Democratie (FvD) hätten »heute viel mehr Spielraum, mit Versprechungen und Hasserzählungen, Erwartungen zu wecken, weil viele Menschen in Unsicherheit eine neue Führung wollen«, so die AFA.

Nun hat Wilders die Wahl zwar klar gewonnen, aber die absolute Mehrheit trotzdem deutlich verfehlt. Weil die Niederlande anders als etwa Deutschland keine Sperrklausel kennen, tummeln sich in der nächsten Legislaturperiode 15 Parteien in der Tweede Kamer, dem nationalen Parlament in Den Haag. 150 Abgeordnete hat das Parlament, die PVV verfügt nur über 37 Sitze. Wilders benötigt also mindestens zwei Koalitionspartner, um eine Mehrheitsregierung zu bilden. Die BoerBurgerBeweging (Bauer-Bürger-Bewegung, BBB), die sich zu einem Sprachrohr der traditionellen LandwirtInnen entwickelt hat, will unbedingt mitregieren. Ihre sieben Sitze sind jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wilders würde gerne den Nieuw Sociaal Contract (Neuer Gesellschaftsvertrag, NSC), die neue Partei des christdemokratischen Abtrünnigen Pieter Omtzigt, in die Koalition aufnehmen. Dazu noch die bei der Wahl heftig abgewatschte rechtsliberale Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (Volkspartei für Freiheit und Demokratie, VVD), die mit Mark Rutte die letzten 13 Jahre den Premierminister stellte und jetzt nur noch auf dem zweiten Platz steht.

Eine Regierung unter Wilders, die eine eigene Mehrheit im Parlament besitzt, erscheint im Moment eher unwahrscheinlich. Die VVD kann sich nämlich nur eine Tolerierung einer Minderheitsregierung von PVV, BBB und NSC vorstellen, ohne selbst MinisterInnen ins Kabinett zu schicken. Pieter Omtzigt ist davon nicht begeistert. Er bevorzugt ein sogenanntes Expertenkabinett mit Fachleuten von außerhalb des Parlaments. In der Woche vor Weihnachten setzten sich die vier ParteiführerInnen zum ersten Mal gemeinsam an einen Tisch. Keine Koalitionsverhandlungen, sondern nur ein gegenseitiges Beschnuppern.

Wilders sprach hinterher von einem »guten und offenen Gespräch«. Über Inhalte vereinbarten Wilders, Dilan Yeşilgöz (VVD), Pieter Omtzigt (NSC) und Caroline van der Plas (BBB) »Funkstille«.

Ein zentraler Punkt dürfte aber die Frage nach der Rechtsstaatlichkeit gewesen sein, die vor allem Yeşilgöz und Omtzigt durch Wilders radikale Positionen hinsichtlich des Islam gefährdet sehen (siehe Marginalie). Tatsächlich würde er am liebsten alle Muslime samt ihren Moscheen und Koranschulen aus dem Land jagen.

Im Endspurt des Wahlkampfs gab sich Wilders plötzlich sanft. Die Taktik verfing: In den letzten zwei Wochen vor der Wahl zog die PVV locker an den anderen Parteien vorbei. Erst am Wahlabend, als sein Sieg feststand, blitzte dann der alte Rassist in Wilders erneut auf, als er von einem »Asyl-Tsunami« sprach, den es einzudämmen gelte. »Der Niederländer kommt wieder an erster Stelle«, versprach er.

Sogar viele aus der LGBTQ-Community hätten Wilders gewählt, ist Rick van der Made überzeugt, der ehemalige Chefredakteur der GayKrant (Gay-Zeitung). Die PVV gibt zwar vor, Homosexuelle gegen vermeintlich homophobe Muslime zu schützen, aber »Wilders trat nur dann für ›uns‹ ein, wenn er uns als Stock benutzen konnte, um den ›marokkanischen Hund‹ zu schlagen«, schrieb Van der Made am 9. Dezember in einem Kommentar für die Volkskrant. Wilders selbst hatte seine Strategie vor zwei Jahren preisgegeben. »In den Niederlanden muss ich oft für Homorechte eintreten, um mich gegen Muslime zu stellen«, hatte ihn die Volkskrant im Juni 2021 zitiert. »Damit habe ich mich schon lange schwer getan.«

So sehr Wilders den Islam hasst, so sehr liebt er Israel. Er hat in jungen Jahren als Freiwilliger in der jüdischen Siedlung Moschaw Tomer auf der Westbank gearbeitet. Für ihn ist Israel ein großer Verbündeter der PVV. Wilders hält bis heute engen Kontakt zu rechten israelischen Parteien. Als der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach dem schrecklichen Angriff der Hamas und ihrer Verbündeten auf Israel am 7. Oktober verkündete, sein Land befinde sich im Krieg, antwortete Wilders in den sozialen Medien: »Wir unterstützen euch. Macht ihnen die Hölle heiß!«

»Atmosphäre von Deportation«

Bis heute hängt Wilders eine Rede aus dem März 2014 nach. In einem Saal in Den Haag hatte er die Anwesenden gefragt: »Wollt ihr in dieser Stadt und in den Niederlanden mehr oder weniger Marokkaner?« »Minder, minder, minder« (»Weniger, weniger, weniger«), schallte es lautstark zurück. Das NRC Handelsblad fühlte sich an die Sportpalastrede von Joseph Goebbels erinnert: »Mit dem Mobilisieren eines Saales für ›weniger Marokkaner‹ schafft Wilders eine Atmosphäre von Deportation.«