Grândola, Vila Morena
2. März 2024
50 Jahre »Nelkenrevolution« in Portugal
Am 25. April 1974 wurde das klerikal-faschistische Regime von António Salazar in Portugal durch das gemeinsame Handeln von Widerstandskämpfern und linken Militärs gestürzt. Am frühen Morgen des Tages ertönte im katholischen Rundfunk das Lied »Grândola, Vila Morena«. Das war das verabredete Zeichen zum Aufstand. Die Movimento das Forças Armadas (MFA) rückte mit Militärfahrzeugen nach Lissabon vor, um Ministerien, Rundfunk- und Fernsehsender sowie den Flughafen zu besetzen. Die geheime Aktion war über das ganze Land verteilt. Der Aufstand der MFA wurde von der Bevölkerung unterstützt und verlief weitgehend widerstandslos. Diese Revolution verdankt ihren Namen den roten Nelken, die die Menschen den aufständischen Soldaten in die Gewehrläufe steckten. Seit dieser Zeit ist »Grândola, Vila Morena« die Hymne der portugiesischen Antifaschisten.
Die Errichtung der klerikal-faschistischen Diktatur hatte bereits im Jahre 1932 begonnen, als Salazar zum Ministerpräsidenten ernannt wurde. Er verschärfte das 1926 errichtete autoritäre Regime und schuf einen neuen klerikal-faschistischen Staat (»O Estado Novo«), der das Verbot der freien Gewerkschaften und politischen Parteien, die Festnahme ihrer Führer und die Errichtung eines extrem repressiven Systems umsetzte. Haftanstalten für politische Gegner entstanden, zum Beispiel das KZ Tarrafal und Gefängnisse in Peniche, Aljube und Caxias. Zu den Verfolgungsorganen des Regimes gehörten die politische Polizei, die portugiesische Legion, eine faschistische Miliz, und militärische Einheiten der Republikanischen Nationalgrade.
Es bedurfte einiger Anstrengungen, bis der Widerstand in Portugal Formen annahm, der Wiederaufbau illegaler Strukturen, zum Beispiel der Kommunistischen Partei Portugals (PCP), die Schaffung von Untergrundwiderstandsgruppen, die Einrichtung von Solidaritätsorganisationen für die Unterstützung politischer Gefangener und ähnliches. Dieser Widerstand fand auch Unterstützung in den Reihen der Armee. Militärische Unruhen gegen die Diktatur zwischen 1926 und 1933 wurden durch zivile Bewegungen wie den revolutionären Streik am 18. Januar 1934 und den Seeleutestreik am 8. September 1936 begleitet.
Am 29. Oktober 1936 errichtete das Regime auf den Kap Verden das KZ Tarrafal. Es bestand von 1936 bis 1954. Weit abgelegen im Ozean, praktisch ohne Fluchtmöglichkeit, wurden hier im Laufe von 17 Jahren 340 politische Häftlinge interniert, darunter junge Matrosen der Organização Revolucionária da Armada, die im September 1936 am Seeleutestreik teilgenommen hatten. Unter den Inhaftierten waren anarcho-syndikalistische Streikaktivisten, Gewerkschaftsführer, Republikaner, antifaschistische Oppositionelle und das gesamte Sekretariat der PCP. Die Internierten starben im »Lager des langsamen Todes« an Unterernährung, verdorbenem Essen, verseuchtem Trinkwasser, fehlender ärztlicher Versorgung, Zwangsarbeit und Folter.
Bemerkenswert ist, dass bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges Portugal als »neutrales Land« für verfolgte Antifaschisten aus anderen Ländern noch die Möglichkeit der Flucht ins Exil bot. Während des Krieges blieb das Land formal neutral, trotz Verbindungen zum faschistischen Deutschland und engen Kontakten zum Franco-Regime. Der Widerstand gegen Salazar blieb davon unberührt. Man organisierte Streiks im Juni 1943, am 8. und 9. Mai 1944 in der Region Lissabon und der Baixo-Ribatejo-Provinz, man verteilte Untergrundflugblätter und Zeitungen, vor allem Antikriegsmanifeste, die von der PCP verfasst worden waren.
Ein Symbol des Widerstands ist die Festung Peniche, die vom Salazar-Regime als Hochsicherheitsgefängnis ausgebaut worden war. Hier wurden populäre Führer des Widerstands unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert. Zu ihnen gehörten Gewerkschafter, Bauernführer und Aktivisten der PCP. Neben den Berichten über Folter und andere Torturen prägen die Erinnerungen an zwei spektakuläre Fluchtaktionen das Narrativ dieses historischen Ortes. Die erste Flucht gelang im Dezember 1950 dem kommunistischen Häftling Jaime Serra. Am 3. Januar 1960 flohen zehn weitere kommunistische Häftlinge, darunter Álvaro Cunhal. Sie stiegen mit einem Seil aus Bettlaken die Außenwände hinab. Cunhal war nach der Flucht ein populärer Vertreter des antifaschistischen Portugal.
Das Ende des deutschen Faschismus im Mai 1945 hatte keine direkten Auswirkungen auf das Salazar-Regime. In den 1950er-Jahren nahm der politische Widerstand zu und verband sich mit dem antikolonialen Kampf. In diesem Zusammenhang wurde von 1961 bis 1974 das Lager Tarrafal wieder reaktiviert als KZ-ähnliche Haftstätte für antikoloniale Befreiungskämpfer.
Kampf um Erinnerung bleibt aktuell
Wie in anderen Ländern auch, gibt es in Portugal bis heute einen Kampf um die Erinnerung. 1978 wurden die sterblichen Überreste von 32 ermordeten Gefangenen von Tarrafal nach Lissabon überführt. Bis heute kämpft der portugiesische antifaschistische Verband URAP für eine angemessene öffentliche Erinnerung an den Jahrestag der »Nelkenrevolution« vom 25. April 1974 und für eine Gedenkstätte in der Festung Peniche. Zum 50. Jahrestag am 25. April 2024 soll dort endlich – verbunden mit einer wissenschaftlichen Tagung zum antifaschistischen Kampf in Portugal – eine zentrale Gedenkstätte des antifaschistischen Kampfes eingeweiht werden.