Blick in den ländlichen Raum
27. April 2024
Über Unterstützung von linkem Engagement in Ostdeutschland. Ein Gespräch mit Polylux e. V.
antifa: Aktuell wird aufgrund der kommenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen an vielen Stellen darüber geredet, wie »der Osten« von Linken bundesweit unterstützt werden kann. Ihr seid eine Initiative von Aktiven aus Berlin, Leipzig und Dresden, die seit den Landtagswahlen 2019 linkes Engagement gerade im ländlichen ostdeutschen Raum unterstützt. Was hat sich seitdem verändert?
Polylux e. V.: Wir haben im Vorfeld der -Landtagswahlen vor fünf Jahren schon beobachtet, was die AfD in Parlamenten anrichtet, indem sie Demokratieinitiativen, Einzelpersonen, Vereine und Organisationen, die sie zu politischen Feinden erklärt hat, massiv unter Druck setzt. Das hat sich seitdem enorm verschärft. Dann folgte die Pandemie und damit gerade im ländlichen Raum Ostdeutschlands eine enorme Mobilisierung rechter Akteure, während linke Gruppen größtenteils pausierten oder ihre Arbeit auf den virtuellen Raum verlegten. Viele Kontakte und Veranstaltungsformate mussten dann erst langsam wieder aufgebaut werden, während rechte Parteien auf kommunaler Ebene jetzt an die Mobilisierung der Proteste gegen die -Corona-Schutzmaßnahmen anknüpfen können. Es ist also eine Menge passiert seit 2019. Wir sehen aber auch in der Linken ein verstärktes Bewusstsein und Bedürfnis nach Bündnissen und einen Blick in den ländlichen Raum. Daran schließen wir mit unserer Arbeit an und konnten in den letzten fünf Jahren -unterschiedlichste Projekte unterstützen.
antifa: Zum Polylux-Netzwerk gehören mehr als 25 Orte und Initiativen, vom »Dorf der Jugend« im sächsischen Grimma über das Café Internationale im sachsen-anhaltischen Merseburg bis zum »Thälmanns« im brandenburgischen Müncheberg. Wie unterstützt ihr diese Projekte?
Polylux e. V.: Unsere Unterstützung ist in erster Linie finanziell, wir ermöglichen es Projekten, niedrigschwellig an Geld zu kommen ohne aufwendige Förderanträge und die daran hängenden Nachweisprozeduren. Damit hoffen wir, Gruppen, die eh schon viel allein auf die Beine stellen müssen, da einfach viele Leute weggezogen sind, wenigstens finanzielle Sorgen teilweise abnehmen zu können. Außerdem versuchen wir, Sichtbarkeit für die Gruppen herzustellen oder Vernetzungen anzustoßen. Wenn wir könnten, würden wir gern noch viel mehr machen, Projekte regelmäßig besuchen oder auch mal kleinere Arbeiten von weiter weg übernehmen. Leider schaffen wir das jedoch nur bei einigen wenigen Projekten, die wir teils schon lange kennen.
antifa: In den vergangenen Monaten waren viele Menschen bundesweit gegen rechts auf den Straßen, viele neue Verbündete sind hinzugekommen, aber es werden auch Stimmen laut, die besorgt sind, dass mit abflachender Sichtbarkeit der Straßenproteste auch das Engagement wieder nachlässt. Was braucht es eurer Meinung nach, um Menschen langfristig einzubinden?
Polylux e. V.: Wir hoffen vor allem, dass es dazu führt, dass Menschen Position beziehen – online, in ihrem Alltag und natürlich auch bei den -Wahlen. Das ist wichtig, um die Meinungshoheit der AfD anzugreifen. Darüber hinaus wünschen wir uns, dass sich möglichst viele Menschen auch organisieren, sei es, um kritische Veranstaltungen zu planen, einen Nachbarschaftstreff zu gründen oder Betroffene von Rassismus, Antisemitismus oder Queerfeindlichkeit zu unterstützen. Uns erreichen dabei auch immer mehr Anfragen von Projekten migrantischer Selbstorganisation, vielleicht auch das ein Nebeneffekt eines veränderten Klimas in manchen Orten. Für unsere Arbeit interessiert uns vor allem, wie wir Menschen in den Metropolen motivieren können, progressive Leute in ostdeutschen Kleinstädten und Dörfern finanziell zu unterstützen. Da merken wir jetzt verstärktes Interesse. In Bonn wollte beispielsweise die Volkshochschule eine Veranstaltung mit uns machen – das ist ja schon ein anderes Publikum als die klassischen Antifabezugsgruppen, die uns sonst so auf dem Schirm haben.
antifa: Aktuell verfolgt ihr das Ziel, bis Ende September 2024 die Marke der tausend Fördermitglieder zu knacken. Warum ist diese regelmäßige finanzielle Unterstützung so wichtig?
Polylux e. V.: Der Bedarf nach Geld wird in den nächsten Jahren sicher nicht weniger werden, schon jetzt erreichen uns mehr als doppelt so viele Anfragen wie noch vor einem Jahr. Das werden die Wahlergebnisse im Sommer und Herbst sicher nicht besser machen. Deshalb ist es für uns wichtig, langfristig zu wissen, über wie viel Geld wir bei den Vergaberunden verfügen. Hinzu kommt, dass wir für manche Projekte auch regelmäßige Zahlungen übernehmen, zum Beispiel für Raummieten. Und zu guter Letzt informieren wir die Fördermitglieder in unserem Newsletter regelmäßig über unsere Arbeit und neue Projekte. Und das ist motivierend zu sehen: Da geht ganz schön viel!
Das Gespräch führte Peps Gutsche