Furchtlos handeln

geschrieben von Else Laudan und Lisa Mangold

27. April 2024

Rechte und Publizistik: Große Handelsunternehmen entdecken nicht freiwillig ihr demokratisches Gewissen

Anfang 2024 nahmen Bahnhofsbuchhandlungen das extrem rechte Compact-Magazin aus dem Sortiment, das rassistische, antisemitische und verschwörungstheoretische Positionen verbreitet. Die Valora Holding mit 900 Verkaufsstellen in Bahnhöfen, Flughäfen, Tankshops und Kiosken tat den ersten Schritt, weitere Unternehmen folgten. Edeka hatte das Magazin schon letzten Sommer aus dem Zeitschriftenregal verbannt.

Nun entdecken große Handelsunternehmen nicht freiwillig ihr demokratisches Gewissen. Der Auslistung geht jahrelange Arbeit von politischen Gruppen und Recherchezusammenhängen voraus. Es brauchte Analysen der Rolle des Magazins als rechtes Bewegungsmedium, beteiligte Akteure und Netzwerke wurden aufgedeckt, Hetzkampagnen politisch eingeordnet. Schließlich, nach der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche 1, unterzeichneten über 100.000 Menschen die Onlinepetition gegen das Compact-Magazin, was gezielt Druck auf die Bahnhofsbuchhandlungen machte 2.

Die Entfernung des rechten Blatts ist ein wichtiges Signal für die gesamte Buchbranche. Notwendig ist jedoch ein Kulturwandel. Die Maxime: Rechte Hetze ist keine neutrale Ware, der Handel damit nicht harmlos oder unpolitisch. Aber der Buchhandel hat hart mit dem Strukturwandel der Branche zu kämpfen. Die nicht warenförmigen Tätigkeitsfelder engagierter Buchläden – gesellschaftliche Literaturvermittlung, fachliche Kompetenz, Bildungsauftrag, Weltinteresse – erliegen dem ökonomischen Zwang. Großketten wie Thalia verdrängen unabhängige Buchläden, setzen Verlage und Auslieferungen unter Druck und stärken die Dominanz rein profitorientierter Player. Bestseller und Wohlfühlbücher verdrängen die komplexeren, gesellschaftlich wichtigen Impulse einer vielfältigen Buchlandschaft. Unabhängige Verlage und Buchhandlungen geraten in Existenznot, sterben weg.

Foto: Paul Knop

Foto: Paul Knop

Diese Entwicklung tötet nicht nur die Vielfalt der Buchbranche, sie spielt den Rechten direkt in die Hände. Gewaltverherrlichende und geschichtsrevi-sionistische Publikationen sind im Buchhandel leicht zu erwerben, werden sogar prominent platziert, sofern sie gute Verkaufszahlen versprechen. Selbstredend gehört das zur Diskursstrategie der Neuen Rechten. Wenn menschenverachtende -Ideologie neben Titeln eingeführter Verlage und bekannter Autor*innen im Buchhandelsregal stehen, entsteht der Eindruck, faschistoide Inhalte seien Teil des hier und heute Sagbaren. Schleichend werden rassistische Begriffe und Narrative normalisiert. Im Onlinehandel und bei der branchen-typischen Katalogsuche findet keinerlei Einordnung statt. Sucht -eine Kundin online nach Schlagworten oder Themen, bekommt sie je nach Verschlagwortung gewaltverherrlichende wie emanzipatorische Titel kontextlos aufgelistet. So läuft es zunächst auch, wenn die Kundin einen Buchladen aufsucht und der Händler das digitale System befragt. Denn das synchronisiert sich mit den Datenbanken des Verzeichnisses lieferbarer Bücher (VLB) oder den Katalogen von Großhändlern. Eine Sortierung und Gewichtung der Titel ist nur manuell möglich und muss von den Buchhandelnden gewollt sein und bewusst durchgeführt werden, was viel Aufwand bedeutet.

Die großen Ketten nehmen selten Titel aus dem Sortiment, nur wenn deren Verkauf öffentlichkeitswirksam in die Kritik kommt und Kundschaft vertreiben könnte. Unabhängige Buchhandlungen hingegen machen es oft zum Aushängeschild, ein liebevoll ausgewähltes Sortiment zu führen. Viele verzichten bewusst auf rechtslastige Autor*innen und Verlage. Indem sie diese Verantwortung übernehmen, sind sie mehr als reine Warendrehstätten: Solche Buchläden sind gesellschaftliche Orte, sie bieten einen sozialen, konstruktiven Zugang zu Kultur.

Bei einem vom Aktionsbündnis »Verlage gegen Rechts« organisierten Panel auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse sprachen Buchhändlerinnen aus Leipzig und Halle (Saale) über ihr Ladenkonzept und die Auswahl von Büchern. Die Geschäftsführerin zweier Sortimentsbuchhandlungen fasste es in deutliche Worte: »Eine Buchhandlung ist Teil des öffentlichen Raums und sendet in diesen.« Und: -»Eine Buchhändlerin kann selber entscheiden, was sie verkauft und was nicht.«

»Furchtlos mit Büchern handeln« – das ist nicht immer leicht. In der Diskussionsrunde war die Rede vom »Neukölln-Komplex«, wo Neonazis über Jahre gegen einen politisch aktiven Berliner Buchhändler Gewalt ausübten. Auch die Buchhändlerin aus Halle geht davon aus, dass ein Sichtbarmachen politischer Haltung mit unliebsamen Konsequenzen verbunden sein kann. Steine in ihrer Scheibe hält sie für denkbar. Es ist also in vieler Hinsicht existenziell wichtig, diesen Kolleg*innen Solidarität zu zollen, sie durch Rückhalt und Vernetzung zu stärken.

»Verlage gegen Rechts« hat eine Kampagne gestartet, die Akteur*innen der Buchbranche motivieren will, sich offen gegen rechts zu positionieren. Das Plakat »Bücher, die wissen, wo sie stehen« wurde an knapp 2.500 Buchhandlungen geschickt und von Buchhändler*innen prominent in Schaufenster gehängt. Es braucht Netzwerke und Solidarität innerhalb der Branche, aber dringend auch deutliche Zeichen von mündigen Konsument*innen.

Unterstützung gegen rechts

Um politisch wie kulturell ein starkes Zeichen für Respekt und gegen Rechte zu setzen und auch, damit keine Einzelnen von uns zur Zielscheibe rechter Anfeindungen werden, braucht die Initiative »Verlage gegen Rechts« offene Solidaritätsbekundungen und Unterstützung. Wer sich aktiv einbringen will, schreibt eine Mail an mitmachen@verlagegegenrechts.de. Nötig und willkommen sind auch Spenden: Das Bündnis arbeitet ehrenamtlich. Für Spenden per Überweisung können ab 300 € Zuwendungsbestätigungen ausgestellt werden. Konto: Kulturwerk e.V.; IBAN: DE31 1007 0024 0890 9178 00; Betreff: Spende Verlage gegen Rechts. Möglich ist auch Paypal (als Freund*in/Familie): spende@verlagegegenrechts.de (keine Spendenquittung).

1 Correctiv-Berichterstattung »Geheimplan gegen Deutschland«, 10. Januar 2024

2 Stoppt Compact – Keine rechte Hetze im Bahnhofsbuchhandel! | WeAct (campact.de): kurzelinks.de/keinehetze

Else Laudan und Lisa Mangold sind aktiv bei »Verlage gegen Rechts«. Infos: verlagegegenrechts.de/
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