editorial

geschrieben von Nils Becker

4. Juli 2024

So viel Deutschland war schon lange nicht mehr. Nach den Wahlen am 9. Juni – bei denen die Position »Germany First« einen deutlichen Schub bekommen hat –, wird sich bis zu den Landtagswahlen im September anscheinend nicht mehr abgeschminkt. Die Europameisterschaft verstärkt den Eindruck, dass die Farbkombination Schwarz-Rot-Gold, mit allem was ideologisch an ihr hängt, Konsens ist. Also nationale Souveränität auf allen Ebenen, Schließung nach außen – aber nur soweit, dass dem wirtschaftlichen Erfolg nichts im Weg steht – und die moralische Selbstdefinition als Friedensstifter und Diktatur-Aufarbeitungsweltmeister mit in den Schlaf nehmen.

Bei genauer Betrachtung sind sich die Parteien in der Parole des unsäglichen Sommerhits »Deutschland den Deutschen – Ausländer raus« leider viel zu einig. Konkurriert wird nur noch über die geeigneten Maßnahmen, um einer betont undefinierten Außengruppe das Leben hier madig zu machen. Mal sind nur irgendwie »Kriminelle« gemeint oder »religiöse Fanatiker«, und im nächsten Atemzug werden alle adressiert, die sich nicht am Vorankommen des Landes beteiligen. Die Choreografie dieser Kampagnen ist regelmäßig voraussehbar. Der Angriff auf Michael Stürzenberger in Mannheim, der mit einem toten Polizisten endete, war so ein gemeinsamer Kick für diese Postionen, bei denen alle Medien und Parteien mitgemacht haben und am Ende nur die AfD profitierte. Ganz so als verweigerten sie sich der intellektuellen Leistung, die Strategien der Rechten zu erkennen und gegenzusteuern.

Armin Laschet (war mal relevant für die CDU) erinnerte im Februar in Aachen bei einer vielbeachteten Rede daran, dass die Machtübernahme durch Adolf Hitler 1933 nur zwei Monate dauerte. Die Annahme, dass es mit der AfD »nicht so schlimm werde«, verbietet sich laut Laschet also. Seine Mahnung wird leider verhallen, denn in Dilemmasituationen ist der Konservatismus immer eingeknickt – ob nun historisch betrachtet oder aktuell in den Kommunalparlamenten und bei den Regierungsbildungen in den Nachbarländern.