Kampfverbände der Arbeiter
4. Juli 2024
Vor 100 Jahren: Antifaschistischer Selbstschutz
Bekannt ist die »Rote Ruhrarmee«, die sich im Frühjahr 1920 gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch stellte. Nach der Niederlage der Putschisten und dem »Bielefelder Abkommen« zwischen Reichsregierung und Gewerkschaften und Parteien, das zur Niederlegung der Waffen führte, gab es jedoch einen Rachefeldzug von Reichswehr und Freikorpsverbänden gegen die Kämpfer der »Roten Ruhrarmee«, dem mehr als tausend Arbeiter zum Opfer fielen.
Daraufhin organisierte die KPD Ende 1920 einen »antimilitaristischen Apparat« und baute als Schutzformation sogenannte Proletarische Hundertschaften auf. Diese erwiesen sich im Jahr 1923 in den Kämpfen um die Arbeiterregierungen in Thüringen und Sachsen als wichtig, waren jedoch den Reichswehrformationen hoffnungslos unterlegen. Ende November 1923 wurden sie, wie auch die öffentliche Tätigkeit der KPD, von der Reichsregierung verboten.
Gründung des »Roten Frontkämpferbundes«
Während Anfang 1924 die SPD das »Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold« als Schutzformation gründete, folgte die KPD im Juli 1924 mit der Gründung eines »Roten Frontkämpferbundes« (RFB) in Halle/Saale – auch als Reaktion auf den Hallenser Blutsonntag, an dem acht Arbeiter bei einer Protest-aktion gegen einen völkischen Aufmarsch durch Polizeikugeln starben.
Ziel des RFB war eine Massenselbstschutzorganisation zur antimilitaristischen Agitation und zum Schutz gegen Überfälle von Polizei und gewalttätigen Kräften der extremen Rechten. Der RFB stand in der Tradition der »Proletarischen Hundertschaften« und des Roten Soldatenbunds. Mehr als 100.000 Mitglieder schlossen sich reichsweit dem RFB an. 16- bis 21-Jährige wurden in der Roten Jungfront organisiert, Frauen im Roten Frauen- und Mädchenbund. Zur Erinnerung an die Matrosen während der Novemberrevolution wurde eine Rote Marine gebildet.
Politisches Ziel war laut Satzung die Pflege des Klassenbewusstseins und der »Kriegserinnerungen zum Zwecke der Abwehr nationalistisch-militärischer Propaganda für neue imperialistische Kriege« sowie die »Aufklärung über die Methoden und den Klassencharakter imperialistischer Kriege«. Neben dieser ideologischen Arbeit gab es Formen vormilitärischer Ausbildung, sportliche und körperliche Ertüchtigung, Unterweisungen in Strategie und Taktik bei der Abwehr von Angriffen und zum Schutz von Veranstaltungen gegen Störungen.
Das öffentliche Auftreten des RFB hatte eher propagandistischen Charakter, auch wenn die politische Polizei bei ihrer Überwachung besorgt feststellte: »Man gewann den Eindruck, dass der RFB tatsächlich eine militärische Kampforganisation darstellt und, was vielleicht das Wichtigste ist, dass jeder Frontkämpfer sich als ›Soldat‹ fühlt.«
Treffen als beliebte Agitationsform
Vergleichbar mit dem Reichsbanner fanden jährlich Reichstreffen des RFB mit Aufzügen, Musikkapellen etc. als Außendarstellung statt. Neben den Reichstreffen gab es regionale »Rote Frontkämpfertage«, eine beliebte Agitationsform des RFB. Diese Treffen waren auch ein Ort des Internationalismus der kommunistischen Bewegung. So gab es einen regelmäßigen Austausch und Besuche bei ähnlichen proletarischen Schutzformationen in anderen Ländern. Im Mai 1926 besuchte Fritz Selbmann als Vertreter des RFB in Frankreich die »Republikanische Vereinigung ehemaliger Kriegsteilnehmer« (ARAC), eine Formation, die übrigens bis heute existiert, während Abordnungen anderer Länder an den Reichstreffen in Berlin teilnahmen.
Der RFB geriet Ende der 1920er-Jahre zunehmend unter politischen Druck der Reichsregierung. Immer wieder wurden Aufzüge verboten, Das »Republikschutz-Gesetz«, das eigentlich der Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung dienen sollte, wurde nicht gegen völkische und faschistische Verbände, sondern gegen den RFB in Stellung gebracht. Als am 1. Mai 1929 nach einem Verbot der traditionellen Maidemonstration durch den Berliner Magistrat bei gewaltsamen Auseinandersetzungen (»Berliner Blutmai«) 32 Arbeiter von der Polizei erschossen wurden, diente dies der Regierung als Vorwand für ein Verbot der Organisation. Der sozialdemokratische Innenminister Carl Severing verfügte am 3. Mai 1929 das Verbot von RFB, RJ und Roter Marine gemäß »Republikschutz-Gesetz«. Der Versuch einer konspirativen Fortsetzung des RFB war nicht erfolgreich. Gleichzeitig schlachtete die Presse es propagandistisch aus, als einzelne ideologisch nicht gefestigte Mitglieder von Musikzügen des RFB sogar zur SA wechselten.
Um eine legale Schutzformation der KPD zu behalten, gründete die Partei daher im Herbst 1930 einen »Kampfbund gegen den Faschismus«, auch als Reaktion auf die Schutzformationen (Schufos) des »Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold«. Insgesamt hatte der Kampfbund rund 100.000 Mitglieder in mehr als 1.600 Ortsgruppen und über 100 Betriebsstaffeln.
In den ersten Jahren der Weimarer Republik verfügten nicht nur völkische und nationalistische Organisationen über Kampfverbände, sondern auch die Arbeiterparteien. Dabei ging es Kommunisten und Sozialdemokraten nicht um militärische Aktionen oder gar Putschversuche, wie den extremen Rechten beim Kapp-Putsch 1920. Aber linke und republikanische Kräfte konnten sich bei der Verteidigung der Errungenschaften der Revolution faktisch nicht auf die Reichswehr verlassen. Zudem zeigten die Morde der Organisation »Consul« an Politikern wie Matthias Erzberger, Walther Rathenau und das Attentat auf Philipp Scheidemann die praktische Bedrohung durch die extreme Rechte. So entstanden Anfang der Weimarer Republik Schutzformationen der Arbeiterorganisationen.