»Remigration« als Ziel

geschrieben von Janka Kluge

8. September 2024

Die Correctiv-Recherchen zum Treffen von Rechten bei Potsdam nun als Buch erhältlich

Gut ein halbes Jahr ist seit der aufsehenerregenden Recherche von Correctiv zu dem Treffen von Konservativen, AfDlern und »Identitären« am 25. November 2023 bei Potsdam inzwischen vergangen. Dort war nicht zuletzt im Hinblick auf extrem rechte Machtoptionen durch sich weiter abzeichende AfD-Wahlerfolge über massenhafte Deportationen von Teilen der Bevölkerung diskutiert worden. Nun veröffentlichte der Investigativjournalist Markus Bensmann zusammen mit Correctiv das Ergebnis der Recherchen in umfangreicherer Form. Correctiv ist ein Medienunternehmen, das nach Eigenangaben »investigativen und aufklärerischen« Journalismus verbreitet. Es wurde 2013 gegründet und begann im Juli 2014 seine Arbeit. Ein Augenmerk, aber nicht der einzige, sind Recherchen zur AfD und anderen rechten Gruppen. Das jetzt veröffentlichte Buch hat den großen Vorteil, dass die Autor:innen auf viel Hintergrundwissen zugreifen können.

Dieses beginnt mit dem Treffen bei Potsdam, zu dem Gernot Mörig eingeladen hatte. Der Zahnarzt aus Düsseldorf ist seit Jahrzehnten bestens in konservativen und rechten Kreisen vernetzt. Im Buch heißt es: »Mörig setze sofort zu Beginn der Veranstaltung das Leitmotiv des Abends. Zu den Themen ›Corona‹, ›Russland‹, ›Ukraine‹, ›Israel‹ hätten die Rechten verschiedene Meinungen, aber all das sei nicht wichtig, die einzige Frage, die sie zusammenführe, sei die Frage nach der ›Remigration‹, ob wir als Volk im Abendland überleben oder nicht« (S. 21).

Anhand der Teilnehmer des Treffens werden im folgenden die Geschichte der Radikalisierung der AfD und ihre Verbindungen zu »Identitären« wie Martin Sellner (siehe Spalte) oder Götz Kubitschek nachgezeichnet. Einer der Teilnehmer des Treffens war Roland Hartwig, Ende November 2023 niemand geringeres als der persönliche Referent der AfD-Parteivorsitzenden Alice Weidel. Als sich seine Teilnahme nicht mehr leugnen ließ, warf Weidel ihn raus. Neben dem Buch von Sellner »Regime Chance von rechts« lobte Hartwig ausdrücklich die »Identitären« und deren Strategie, in sozialen Medien gezielt junge Menschen anzusprechen.

Einer der Grundgedanken, die hinter den in Potsdam diskutierten Deportationsfantasien stecken, ist, dass Deutschland, durch einen vermeintlichen »Bevölkerungsaustausch« (»Der große Austausch«) ausgelöscht werden soll und nur noch die Besinnung auf einen ethnisch »reinen« Staat helfen könne. Die Ideen von Sellner werden nicht nur von ihm und dem ehemaligen Leiter des Instituts für Staatspolitik, Götz Kubitschek, einem eifrigen Mentor Sellners, verbreitet, sondern finden sich auch in Veröffentlichungen führender AfD-Politiker. So vertritt auch Maximilian Krah, der Spitzenkandidat der AfD zur EU-Wahl, diese, was er in seinem Buch »Politik von rechts – Ein Manifest« auch umfangreich unter Beweis stellt.

Marcus Bensmann und Correctiv: »Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst«. Verlag Galiani Berlin, 2024, 256 Seiten, 22 Euro

Marcus Bensmann und Correctiv: »Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst«. Verlag Galiani Berlin, 2024, 256 Seiten, 22 Euro

Auch Krah geht darin von einem Zeitraum von mindestens zehn Jahren aus, bis die »Remigration« wirklich greifen würde. Krah wurde später, was einmalig in der deutschen Geschichte ist, mit einem Auftrittsverbot im AfD-Wahlkampf belegt, weil er in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung La Repubblica gesagt hatte, dass es auch in der SS anständige Männer gegeben habe. Das war nicht das erste Mal, dass Krah sich zur NS-Geschichte äußerte. Etwas verklausuliert hatte er bereits in einem Anfang September 2023 veröffentlichten TikTok-Video mitgeteilt: »Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher. Wir haben allen Grund, stolz auf unser Land zu sein. Und auf die Menschen, die es aufgebaut haben. Deutsche Lieder, deutsche Wertarbeit, deutsche Gedichte, deutsche Gedanken. (…) Deshalb krieg mal raus, was Oma, Opa, Uroma und Uropa gemacht haben, wo sie herkamen, was sie gekämpft und gelitten haben. (…) Sie haben gelebt und wollen jetzt, egal, wo sie sind, stolz auf dich sein. So wie du später stolz auf deine Nachfahren sein wirst. Wenn du den Gedanken hast, dann geht es mehr als nur um einen Augenblick. Dann geht es um das große Ganze. Dann geht es endlich um dich und um uns als Volk« (S. 133).

So gut das Buch in seiner Einordnung der AfD ist und als Fundgrube von Zitaten wertvoll, gibt es dennoch ein Manko. Auf den letzten Seiten versucht Marcus Bensmann eine Analyse, warum die AfD stark wurde, und vertritt dabei unter anderen Thesen wie die, dass die Debatte um eine gendergerechte Sprache oder die Auseinandersetzung um Klimapolitik Menschen in die Arme der AfD getrieben hat. Auch wenn die AfD diese Themen instrumentalisiert hat, ist es wichtig, um Positionen zu kämpfen und sie nicht der AfD zu überlassen.

Die rassistische Ideologie von Martin Sellner und Co.

Bereits zwei Tage vor dem Treffen Ende November 2023 in Potsdam sagte Sellner in einem Video: »Remigration ist nicht nur Abschiebung von Illegalen, sondern ein großes, umfassendes Konzept, das sowohl Asylanten, also Asylbetrüger, Ausländer als auch nicht assimilierte Staatsbürger im Fokus hat, die in unserem Land ein großes Problem darstellen (…). Und Migrantengruppen, die in diesem Bereich überwiegen, als Asylanten, als Nichtstaatsbürger oder als nicht assimilierte Staatsbürger, die sind im Fokus einer Remigrationspolitik, und dies maßgeschneidert für jede einzelne Gruppe und jede einzelne Ebene, in einem Zeitraum von fünf, 15 und 30 Jahren auszurollen« (S. 29). In einem weiteren Video, das Sellner einen Monat später online stellte, spricht er davon, dass etwa fünf bis sechs Millionen Menschen abgeschoben werden sollen. Das wäre ungefähr die Hälfte der Menschen mit Migrationsgeschichte, die in Deutschland leben.