Strategischer Kulturkampf
1. November 2024
Michael Kraske und Dirk Laabs zur schleichenden Machtergreifung der AfD
Björn Höcke, Chefideologe der AfD in Thüringen für eine völkisch-nationalistische Diktatur in Deutschland, darf laut Gerichtsentscheid »Faschist« genannt werden. Höcke hat seine rassistische Ideologie maßgeblich aus den Schriften des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci (1891–1937) abgeleitet. Gramsci hatte gelehrt, dass man für den revolutionären Kampf als erstes die Meinungsführerschaft (kulturelle Hegemonie) in der Gesellschaft gewinnen muss, um als zweites dann die politische Macht zu gewinnen. Höcke hat Gramscis »linke« These nach »rechts« gewendet. Höcke: »Nur, wenn man den Zeitgeist beherrscht, kann man die kulturelle Hegemonie erwerben« (S. 20).
Die beiden Autoren des Buchs »Angriff auf Deutschland. Die schleichende Machtergreifung der AfD«, Michael Kraske und Dirk Laabs, kommentieren: »Die Neue Rechte nennt diesen strategischen Kulturkampf in Vorbereitung auf die Machtübernahme ›Metapolitik‹« (S. 20). Höcke ist der unbestrittene Vordenker und Vorlenker dieses Kulturkampfes. Systematisch verschiebt dabei die AfD Höckes den gesellschaftspolitischen Diskurs nach »rechts« – eben um diesen Zeitgeist zu beherrschen: Es ist ein national-istischer und rassistischer Kampf um die Köpfe, um die Begriffe, um das Sagbare.
So formulierte 2017 der Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann zwecks Verächtlichmachung der Demokratie und der Demokraten: »Wir werfen sie in den Graben. Dann schütten wir diesen Graben zu« (S. 7). Er formuliert das, was die Nazis mit Millionen Menschen getan haben. Oder auch: Was Rechtsterroristen mit dem CDU-Politiker Walter Lübcke getan haben, weil dieser sich für Geflüchtete eingesetzt hatte. Die AfD ist der parlamentarische Arm einer »rechten Front« (S. 133) von zum Beispiel früheren NPD-Kadern (inzwischen umbenannt in »Die Heimat«), von Reichsbürgern, von Pegida-Anhängern, von Freien Sachsen, vom »III. Weg« usw. Und 2022 formuliert ein Mitglied der extrem rechten »Freien Sachsen« – nachdem diese Gruppe vor dem Wohnhaus des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) aufmarschiert war: »Und wenn dieser Ministerpräsident und seine verdammte Politik nicht bald einlenken, dann wird es wahrscheinlich notwendig, dass wir in die Wohnzimmer kommen« (S. 145).
Die beiden Journalisten Kraske und Laabs recherchierten im Milieu der AfD im Kontext der »rechten Front«, dieser rassistischen und nationalistischen Szene. Ihr Buch ist das Ergebnis. Kaum ein Detail im Buch ist wirklich neu. Ein Novum jedoch ist die Zusammenführung vieler, vieler bestürzender Details dieses Kampfes um die kulturelle Hegemonie in Deutschland. Und dieses Neue ist enorm beängstigend.
Ein Beispiel: Höcke schrieb 2018 in einem Manuskript über AfD-Ziele zur »ethnischen und politischen Säuberung« in Deutschland, dass ein »großangelegtes Remigrationsprojekt notwendig sein« (S. 12) werde. Die Rechercheplattform »Correctiv« (S. 14) berichtete Anfang 2024 über ein Geheimtreffen verschiedener Mitglieder der »rechten Front« – inklusive AfD-Mitgliedern – in Potsdam, bei dem Pläne für eine »Remigration« von Millionen Menschen in Deutschland erörtert wurden. Millionen Menschen gingen in vielen Städten spontan gegen diese Vertreibungspläne auf die Straßen. Ebenfalls in diesem Jahr veröffentlichen die AfD-Fraktionsvorsitzenden der fünf ostdeutschen Bundesländer eine gemeinsame Stellungnahme zum Remigrationsthema. Der letzte Satz dieser Stellungnahme lautet: »Deutschland muss wieder deutscher werden« (S. 17).
Das Buch haben die beiden Autoren in drei Hauptkapitel aufgegliedert. Im ersten Kapitel (»Akute Gefahr für Deutschland«) werden die Angriffe der AfD und anderer Gruppierungen der »rechten Front« auf die parlamentarische Demokratie ausführlich dokumentiert. Die AfD-Kampfzonen reichen von der Kommune bis in internationale Ebenen. Gewaltandrohungen und reale Gewalt – zum Beispiel »gefährliche Körperverletzung, Erpressung, Nötigung, Entführung« (S. 109) – sind dabei alltäglich. Im zweiten Kapitel (»AfD-Verbot«) verweisen die Autoren zunächst auf Pro- und Contra-Argumente; plädieren dann für das Verbot: »weil der politische Kampf gegen die AfD« keine Erfolge erzielt habe (S. 263). Im dritten Kapitel (»Demokratische Lösungen«) warnen Kraske und Laabs: »eine wie auch immer geartete Machtbeteiligung der AfD auf Länderebene kann neben gefährlicher Normalisierung auch destabilisierende Dominoeffekte auslösen« (S. 285). Aus der Sicht der Autoren geht es vielmehr um die Stärkung von Maßnahmen der Demokratieförderung: »Demokratie langfristig fördern!« (S. 299).
Ein abschließendes Wort zum politischen Kampf gegen die nationalistische und rassistische »rechte Front«: Angesichts der alltäglichen Verletzung und Bedrohung der parlamentarischen Demokratie durch extreme Rechte, fällt es sehr schwer nachzuvollziehen, warum massive Polizeikräfte die Aufmärsche der AfD-Brandstifter mit ihren Hass- und Gewaltbot-schaften vor den Blockaden der Gegendemonstra-tionen des antifaschistischen Widerstands bewahren – es könnte so zum Durchmarsch der extrem Rechten kommen. Ein Durchmarsch unter Polizeischutz.