Zunehmend risikoreicher

geschrieben von FIR-Newsletter

4. Januar 2025

Überlegungen zu den Ergebnissen der US-Präsidentenwahl

Am 20. Januar ist es soweit: Donald Trump wird zum zweiten Mal in das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten eingeführt. Anders als von Demoskopen und Medien im Wahlkampf erwartet, sind die Mehrheiten für die US-Republikaner klar ausgefallen. Oder: Die Mehrheiten für die US-Republikaner sind klarer ausgefallen, als Demoskopen und -Medien vorhergesagt hatten. Es zeigt sich einmal mehr, dass Prognosen sich vor allem auf städtische Mittelschichten stützen, die Meinung der Bevölkerung in ländlichen Regionen, aber auch die Stimmungslage unter den arbeitenden Menschen nicht angemessen abbilden. Wochenlang wurde von einem Kopf-an-Kopf-Rennen gesprochen (siehe Spalte).

Fokus der Medien lag auf Swing-States

Die Besonderheit des US-Wahlsystems führte dazu, dass sich die Medien vor allem auf die sogenannten Swing-States konzentrierten. Die inhaltlichen Unterschiede zwischen Harris und Trump wurden weniger reflektiert. Vielleicht lag es auch daran, dass die politischen Unterschiede eher in der Wortwahl, weniger in den angestrebten Maßnahmen lagen. Es war so, wie bei verschiedenen europäischen Wahlen zu erleben, dass Wählerinnen und Wähler, die mit der Biden-Regierung unzufrieden waren, nicht mehr den Versprechungen von Harris folgten. Die Demokraten verloren gegenüber den letzten Wahlen zur Präsidentschaft ungefähr zehn Millionen Stimmen, und zwar vor allem bei ihrer Kernwählerschaft. Während die Anhänger der Demokraten, trotz Millionen Dollar Wahlwerbung, nicht zur Wahl gingen, zogen die Trumpschen Propagandalosungen.

Dennoch hat sich eines im Wahlkampf deutlich gezeigt. Ob bei der US-Hegemonialpolitik, der Wirtschaftspolitik gegenüber China, der Unterstützung der Netanjahu-Regierung in Israel oder den Feindbildern Iran und Nordkorea, zwischen den Parteien bestehen nur geringe inhaltliche Differenzen. So spiegelt Trumps vollmundige Erklärung, er würde den Krieg in der Ukraine an seinem ersten Regierungsamtstag beenden, nur die wachsende Unzufriedenheit der amerikanischen Bevölkerung mit der Militärhilfe für die Regierung Selenskyj, die damit weder militärische Fortschritte noch Resultate im Sinne einer Beendigung des Krieges erzielt, wider. Die Umsetzung von Trumps Ankündigung wäre im Sinne der Menschen in der Kriegsregion wünschenswert. Mit Blick auf die politische Wirklichkeit dürfte dieses Wahlversprechen das erste sein, das Trump brechen wird.

Wie wenig dieses Wahlergebnis an den tatsächlichen Verhältnissen in den USA und an deren Wirtschafts- und Außenpolitik ändern wird, zeigt ein anderer Indikator. Das Wahlergebnis für Trump führte an den amerikanischen und teils auch an europäischen Börsen zu deutlichen Kurssteigerungen. Das Finanzkapital erhofft sich von Trumps Wirtschaftspolitik auch zukünftig satte Gewinne und ein hohes Maß an Stabilität für die Profitmaximierung, vor allem aber eine Eindämmung der chinesischen Konkurrenz. Für diese Kontinuität steht auch das politische Personal, das sich Trump für seine neue Amtszeit als Berater (wie z. B. Elon Musk) oder als Minister ins Team geholt hat. Marco Rubio soll mit »America first« das Amt des Außenministers bekleiden, der Fox News-Moderator Pete Hegseth, der sein Militärverständnis als Soldat im Irak, in Afghanistan und in Guantanamo entwickelte, Verteidigungsminister werden, und für das Gesundheitswesen soll der Impfskeptiker Robert F. Kennedy Jr. zuständig werden. Dass mancher »Wunschkandidat« wegen juristischer Vorwürfe zurückgezogen werden musste, konnte man erfahren. Dennoch wird dieses Horrorkabinett in Zukunft Einfluss nicht allein auf die USA, sondern auf die Weltpolitik nehmen.

Größere politische Herausforderungen

Was bedeutet das für Antifaschisten in Europa? Die politischen Herausforderungen werden größer. Die extreme Rechte, die sich bereits nach den EU-Wahlen im Aufwind sieht, erwartet nun einen weltweiten Rechtstrend, bei dem es um mehr Protektionismus und Nationalismus, extrem rechte Menschenbilder und Zunahme rassistischer Spaltung geht. Dagegen wird man sich nicht allein in den USA politisch zur Wehr setzen müssen. Der Kurs der US-Wirtschaftspolitik wird dazu führen, dass international tätige Unternehmen in Europa versuchen werden, mit Verweis auf US-Sanktionen die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verschlechtern. Hier haben Gewerkschaften ihr Handlungsfeld. Antifaschisten sollten die Gewerkschaften in ihrem Handeln unterstützen. Gleichzeitig wird die amerikanische Regierung im Rahmen der NATO die europäischen Staaten zu weiteren Rüstungsausgaben und Kriegsanstrengungen drängen. Hiergegen ist die Friedensbewegung gefordert, als gesellschaftliche Gegenkraft sichtbar in Erscheinung zu treten. Die Politik der USA und deren in Europa stationierten Waffensysteme werden für die Menschen und Staaten in Europa zunehmend risikoreicher.

Überraschend deutlicher Sieg Trumps
Das Wahlergebnis fiel in einer Deutlichkeit aus, die selbst politische Beobachter überraschte. Trumps klare Mehrheit der Wahlmänner korrespondiert mit einem Vorsprung bei den Wählerstimmen. Bei relativ hoher Wahlbeteiligung erhielt er gut fünf Millionen Stimmen mehr als Kamala Harris, die Kandidatin der Demokratischen Partei. Sichtbar wird dieser Erfolg auch in den beiden Kammern. Die Republikaner gewannen die Mehrheit sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus. Aufgrund dieser Ergebnisse verfingen auch keine Spekulationen über »russische Wahleinflussnahme«, von der amerikanische Geheimdienste noch wenige Tage vor dem Wahltermin in den Medien schwadronierten.

Beitrag aus dem Newsletter mit aktuellen Ergänzungen leicht überarbeitet.