Coming Home
12. März 2025
Der indigene politische Gefangene Leonard Peltier wurde aus der Haft entlassen
Am 6. Februar 2025 begann für den 80jährigen Aktivisten des American Indian Movement (AIM) und indigenen politischen Gefangenen Leonard Peltier sein 50. Haftjahr so, wie die letzten Jahre endeten: Dauereinschluss, unzureichende medizinische Versorgung, eingeschränkte Telefonkontakte – ein (Über)Leben in der Hölle von USP Coleman 1, einer Hochsicherheitshaftanstalt etwa 75 Kilometer nordwestlich von Orlando/Florida. Andererseits startete Peltiers 50. Haftjahr mit der Gewissheit, dass dies seine letzten Tage in diesem unsäglichen American Gulag aus Stahl und Beton sein würden, da er am 18. Februar 2025 aus der Haft in den Hausarrest in seine Heimat, der Turtle Mountain Reservation (Norddakota) entlassen würde.
Letzte Möglichkeit für Peltier
Es waren für Peltier, dessen Familie, Freunde und Unterstützer Wochen, Tage und Stunden des Hoffens, Bangens und Wartens, bis der scheidende US-Präsident Joe Biden sich am 20. Januar »last minute« und gegen den Protest des FBI entschied, für den durch fünfjährige Lock Downs und zahlreiche Krankheiten gezeichneten Peltier eine Strafumwandlung zu erlassen. Dies war die letzte Möglichkeit, Peltier vor dem zu bewahren, was in Menschenrechtskreisen als »death by incarceration – Tod durch Inhaftierung« bezeichnet wird. Und dies war auch die letzte Hoffnung, nachdem 2024 bereits zwei weitere juristische Möglichkeiten, die Freiheit für den schwerkranken Gefangenen zu erwirken, abgelehnt worden waren, nicht zuletzt aufgrund des massiven Drucks durch das FBI. Dabei führten das FBI und dessen vor kurzem zurückgetretener Direktor Christopher Wray die gleichen selbstfabrizierten und unwahren Behauptungen an, die bereits 1976 zur Auslieferung Peltiers aus Kanada und 1977 zur Verurteilung zu zweimal lebenslänglich geführt hatten.
Herrschaft des Terrors«
Der Schusswechsel bei Oglala: In der ersten Hälfte der 70er Jahre herrschten in der Pine Ridge Reservation (Süddakota) Zustände, die heute noch als »reign of terror – Herrschaft des Terrors« bezeichnet werden. Eine korrupte Stammesregierung der Oglala-Lakota unter Präsident Dick Wilson unterdrückte Teile der eigenen Bevölkerung. Vor allem traditionelle Lakota, die sich gegen Assimilation wehrten, sowie junge, sich politisierende Lakota wurden zur Zielscheibe physischer Attacken einer eigens hierfür aufgebauten Miliz: die Guardians of the Oglala Nations (GOONs). Straßensperren, Brandanschläge, Körperverletzungen und Morde zählten zum Reservationsalltag.
Nicht nur mit Wissen und Billigung, sondern zum Teil auch mit Waffen und Munition des FBI wurden an die 60 Reservatsbewohner durch diese »Todesschwadron« ermordet – bis heute, 50 Jahre später, gab es hierzu keinerlei strafrechtliche Konsequenzen. 1975, auf dem Höhepunkt der Gewalt, riefen Stammeshäuptlinge und -älteste das AIM zur Hilfe, vor allem, um ältere Familien zu schützen. Am 26. Juni 1975 rasten zwei FBI-Agenten überfallartig in ein AIM-Schutzcamp, angeblich um einen jungen Dieb festzunehmen. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Morde entstand ein Schusswechsel, in dessen Verlauf die beiden FBI-Agenten Jack Coler und Ronald Williams sowie ein junger AIM-Aktivist, Joe Stuntz, getötet wurden. Wer mit dem Schusswechsel begann und wer die tödlichen Schüsse abgab, ist bis heute unbekannt. Doch das FBI beschuldigte Dino Butler, Bob Robideau und Leonard Peltier für den Tod der beiden Agenten verantwortlich zu sein. Robideau und Butler wurden bereits 1977 von den Vorwürfen freigesprochen, unter anderem mit den Hinweisen auf vermeintliche Notwehr sowie die Zweifel an den vorgelegten Beweisen, die durch das FBI manipuliert schienen.
Eindeutig erpresste Falschaussagen
Anders erging es Leonard Peltier, der am 6. Februar 1976 in Kanada festgenommen wurde. Aufgrund eindeutig erpresster Falschaussagen einer angeblichen Zeugin wurde Peltier Ende 1976 an die USA ausgeliefert. In seinem Prozess wurden Entlastungsbeweise nicht zugelassen bzw. unterschlagen. Peltier wurde 1977 zu zweimal lebenslang verurteilt. Frühere am Verfahren beteiligte Staatsanwälte und Richter sowie ehemalige FBI-Beamte hatten seitdem immer wieder darauf hingewiesen, dass es keinerlei Schuldbeweise gegen Peltier gebe und dieser aus der Haft zu entlassen sei.
Nach fast 50 Jahren hat nun Joe Biden die Haft- in eine Hausarreststrafe umgewandelt. Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack, denn Peltier wird dadurch nicht rehabilitiert, und es gibt weder eine Entschuldigung noch Entschädigung für einen der wohl größten rassistischen Polizei-, Justiz- und Politik-skandale des 20. und 21. Jahrhunderts. Dennoch sagt Peltier, »dass dieser Hausarrest millionenfach besser sei als seine Haft«. Unterstützer besorgten ihm in der Turtle Mountain Reservation eine Unterkunft. Er ist bei seiner Familie und Freunden. Und er erhält endlich die dringend notwendige medizinische Versorgung.
Aktuell konzentrieren sich Peltiers Unterstützer:innen darauf, finanzielle Hilfen zu besorgen. Gleichzeitig kämpfen sie für eine Lockerung der Arrestbedingungen. Spenden zur Unterstützung Peltiers an Tokata – LPSG RheinMain e. V., Sparkasse Langen-Seligenstadt, IBAN:
DE87 5065 2124 0002 1171 33, SWIFT-BIC: HELADEF1SLS. Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt und berechtigt, Spendenbescheinigungen für die Vorlage beim Finanzamt auszustellen.
Kontakt: lpsgrheinmain@aol.com; leonardpeltier.de