Einer der Letzten
12. März 2025
Zum Tod von Werner Knapp
Werner Knapp gehörte zu den letzten unserer Mitglieder in der VVN-BdA, die als Soldaten gegen den Faschismus gekämpft hatten. Am 10. Januar 2025 vollendete sich sein langes, kämpferisches, sinnerfülltes Leben.
Werner wurde – mit Zwillingsschwester Gisela – am 24. September 1921 in Oldenburg geboren. Vater Wilhelm Knapp, seit 1919 Mitglied der KPD, arbeitete seit 1923 hauptamtlich für die Partei. Er wurde in verschiedenen Orten als Verlagsleiter von Arbeiterzeitungen eingesetzt. Mutter Martha, von Beruf Lehrerin, war seit 1921 engagiertes KPD-Mitglied. Die Kinder wurden liebevoll und politisch erzogen. Die Werte, die Werner zu Hause wie auch aus der kommunistischen, vor allem sowjetischen, Kinderliteratur erfuhr, wurden prägend für sein Leben.
Nach dem Machtantritt der Nazis war Wilhelm Knapp als illegaler Reichskurier der KPD tätig und kaum noch zu Hause. Im August 1935 wurde er verhaftet und 1936 zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt. Martha Knapp, zu diesem Zeitpunkt im Berliner Arbeiterbezirk Prenzlauer Berg lebend, schrieb illegale Flugblätter und verbreitete sie im Stadtbezirk. Die jugendlichen Werner und Gisela brachten sie zu anderen Widerständlern und leisteten Kurierdienste. Früh hatten sie Disziplin, Achtsamkeit, Verschwiegenheit und Unauffälligkeit gelernt.
Im Kommunistischen Jugendverband aktiv
Auf Drängen der KPD emigrierte Martha Knapp mit den Kindern im Oktober 1935 nach Prag. Hier besuchte Werner die deutsche Realschule. 1937 wurden er und Gisela in den Kommunistischen Jugendverband aufgenommen. Sie waren Mitbegründer der Freien Deutschen Jugend (FDJ) am 8. Mai 1938 in Prag. Die FDJ sollte die in der Tschechoslowakei bestehenden deutschen Jugendorganisationen zu einer einheitlichen antifaschistisch-demokratischen Jugend vereinen.

Werner auf der Delegiertenversammlung der Berliner VVN-BdA am 28. November 2015. Foto: Jutta Harnisch
Kurz vor der Besetzung Prags durch die deutschen Faschisten konnte die Familie im Januar 1939 nach Paris entkommen. Werner begann eine Lehre als Maschinenschlosser, jäh beendet durch den Kriegseintritt Englands und Frankreichs. Im Oktober 1939 meldete er sich mit anderen Genossen als Kriegsfreiwilliger beim tschechoslowakischen Konsulat und erhielt die Einberufung zu der sich formierenden tschechoslowakischen Auslandsarmee. Die Rekrutenausbildung im Infanterieregiment im südfranzösischen Agde war gekennzeichnet durch mangelhafte Ausrüstung, schlechte Bewaffnung und unkorrektes, oft nationalistisch-chauvinistisches Verhalten von Offizieren vor allem gegenüber Angehörigen anderer Nationalitäten.
Nach dem Überfall der Hitler-Wehrmacht auf Frankreich am 10. Mai 1940 und dem raschen Vordringen der faschistischen Truppen wurde auch Werners Truppenteil an die Front befohlen, an die Marne. Mit dem Zusammenbruch der französischen Verteidigungslinien und dem Chaos von zurückflutenden französischen Einheiten und Flüchtlingen erhielt die Armee den Befehl zum Rückzug.
Es gelang Werner und anderen Soldaten, den Faschisten zu entkommen und zum Ort der Rekrutenausbildung zurückzukehren. Nach dem Waffenstillstand am 22. Juni 1940 wurden die dort Versammelten nach England gebracht. Werner und andere wurden in das britische »Pioneer Corps« eingegliedert, das in Erwartung der deutschen Invasion Straßenbau- und andere Befestigungsarbeiten durchführte.
Mut und Kameradschaftlichkeit
Mit seinem Mut, seiner Kameradschaftlichkeit und dem Einstehen für seine Überzeugungen überwand er das Misstrauen von Soldaten und Offizieren und errang ihre Anerkennung. Er bewies, dass nicht alle Deutschen Faschisten waren.
Neben seinem Armeedienst war Werner in Großbritannien in der FDJ aktiv und wurde 1941 Mitglied der Auslandsgruppe der KPD. Im selben Jahr wurde er einem Infanterieregiment der tschechoslowakischen Brigade innerhalb der britischen Armee zugeteilt, das später für den Einsatz an der zweiten Front vorbereitet wurde. Er nahm als Angehöriger eines Panzerregiments an den schweren Kämpfen in der Normandie gegen die um Dünkirchen erbittert Widerstand leistenden Wehrmachts- und SS-Einheiten teil. Dort erlebte Werner Knapp das Kriegsende.
Im Oktober 1945 wurde der Vierundzwanzigjährige demobilisiert. Er setzte seinen Wunsch durch, in die sowjetische Besatzungszone zurückzukehren, um am antifaschistisch-demokratischen Neuanfang Deutschlands teilzunehmen. Hier fand er seinen Vater wieder, nach zehn Jahren Haft von der Roten Armee aus dem Zuchthaus Brandenburg-Görden befreit. Seine Mutter, im Juni 1940 zusammen mit Gisela als »feindliche Ausländer« im Lager Gurs interniert, verstarb dort bereits am 5. Juli 1940. Gisela überlebte.
Werner absolvierte eine Neulehrerausbildung, studierte von 1947 bis 1950 Gesellschaftswissenschaften und Außenpolitik in Leipzig. Nach einer Zeit im Außenhandel und an der Humboldt-Universität war er von 1956 bis 1968 Repräsentant der Deutschen Lufthansa/INTERFLUG, von 1968 bis 1984 im Ministerium für Verkehrswesen tätig.
Werner Knapp war ein offener, zugewandter und höchst bescheidener Mensch. Er wollte nicht als Held bezeichnet werden und wiegelte stets ab. Viele Jahre wirkte er als Zeitzeuge und vermittelte insbesondere Jugendlichen seine Erfahrungen, sein Wissen und Handeln gegen Faschismus und Krieg. Für etliche waren es beeindruckende, prägende Begegnungen. Als antifaschistischer Widerstandskämpfer in Berlin gehörte Werner zu jenen, die sich 1990 engagiert für die Wiederherstellung einer antifaschistischen Organisation in der DDR und danach für die Einheit von Antifaschist:innen in Ost und West in einer gesamtdeutschen VVN-BdA einsetzten. Solange es seine Kräfte erlaubten, kämpfte er gegen wiedererstarkenden Faschismus, Rassismus und Krieg, für Frieden und eine gerechte Gesellschaft. Bertolt Brecht charakterisierte solche Menschen als »die Unersetzlichen«.