Symbole des Leids

geschrieben von Kristin Caspary

12. März 2025

Nach 16 Monaten Krieg: Die fragile Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas

Nach 16 Monaten Krieg zwischen Israel und der Hamas in Gaza einigten sich die Parteien Anfang Januar auf einen mehrstufigen Plan zur Waffenruhe. Mit diesem Plan, vorgelegt von der Biden-Regierung bereits im Mai vorigen Jahres, trat ausgerechnet Donald Trump als unwahrscheinlichster Agent des Friedens auf. Die vollständige Implementierung des ohnehin fragilen Deals schien unter der Schirmherrschaft Trumps nicht unbedingt wahrscheinlicher, im Kontrast dazu war die Freude der Menschen in Israel über die mögliche Rückkehr der Geiseln und der Menschen in Gaza über ein Ende des Kriegs Zeugnis der unerträglichen Lage vor Ort.

Seit Anfang Februar überschlagen sich die Ereignisse, und die Befürchtung, dass der Deal nicht über seine ersten Phase gehen wird, scheint kurz vor Druck dieser antifa-Ausgabe Anfang März äußerst wahrscheinlich. Die Erklärung Trumps, eine amerikanischen Übernahme des Gazastreifens und die erzwungene Vertreibung der dort lebenden Palästinenser_innen zum außenpolitischen Ziel der USA zu machen, stieß in der extrem rechten israelischen Regierung, aus der eine Partei bereits wegen absoluter Opposition der Beendigung des Krieges gegenüber ausgeschieden war, auf positive Resonanz. Die Mehrheit der israelischen Gesellschaft, die die Waffenruhe sowie die damit verbundene Freilassung der israelischen Geiseln begrüßt, und insbesondere die Angehörigen der Geiseln, genauso wie die Millionen vertriebenen Palästinenser_innen, sind in diesem bizarren Lehrstück internationaler Diplomatie bloß Spielbälle. Die Sorge um den Zustand der verbliebenen Geiseln und ihr Schicksal, falls der Deal kollabiert, ist menschlich nicht auszuhalten. Die Geschichte Yarden Bibasʼ, der ohne seine Frau Shiri und seine beiden Söhne Kfir und Ariel nach Israel zurückkehren und kurz vor Redaktionsschluss erfahren musste, dass die drei nicht mehr am Leben sind, ist zum Symbol des Leids der israelischen Geiseln geworden.

Doch selbst wenn aller Gewalt zum Trotz die zweite Phase des Deals erreicht und abgeschlossen werden kann, stehen vor der dritten Phase des Wiederaufbaus große Hürden. Die Bilder der in den Norden Gazas zurückkehrenden Palästinenser_innen, zu Fuß durch in Schutt und Asche liegende Städte, gingen um die Welt. Zwar können seit Implementierung der ersten Phase täglich wieder 600 Lkws den israelischen Grenzübergang nach Gaza überqueren, doch entspricht die Kapazität dieser Lkws dem Bedarf nach humanitärer Hilfe vor dem 7. Oktober und nicht dem aktuellen, der nach 16 Monaten Krieg und Vertreibung massiv gestiegen ist. Doch bereits dieses Tempo können die humanitären Hilfsorganisationen nicht dauerhaft aufrecht erhalten, geschweige denn in der zweiten Phase des Deals erhöhen, berichtete eine NGO-Mitarbeiterin.

Gleichzeitig mit dem israelischen Verbot des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) wegen Vorwürfen der Zusammenarbeit mit terroristischen Organisationen setzte die Trump-Regierung das US-amerikanische Programm für humanitäre Hilfe aus. Die scheidende deutsche Bundesregierung war außer Stande, einen Haushalt für 2025 zu verabschieden. Die wichtigen Eckpfeiler der humanitären Hilfe in der Region (und weltweit) fallen damit aus. Zudem hat Israel neue Regularien für die Arbeit von NGOs angekündigt, deren Erfüllung zur Registrierung und damit Zulassung der Tätigkeit erforderlich ist. Ein Teil dieser neuen Regularien ist, dass von israelischer Seite geprüft werden wird, ob die Organisationen, ihre Angestellten und deren Partner_innen sich in den zurückliegenden sieben Jahren öffentlich negativ zum Existenzrecht Israels geäußert oder Boykottaufrufe, auch hinsichtlich Waffenexporten, geteilt haben – falls ja, dürfen die NGOs nicht registriert werden und ihre Mitarbeiter_innen keine Arbeitsvisa, die an die Registrierung geknüpft sind, erhalten. Zur Zeit ist unklar, ab wann die neuen Regularien in Israel in Kraft treten werden. Nur Druck der internationalen Gemeinschaft könnte an dieser Stelle bewirken, dass Israel sein Vorhaben zumindest abschwächt und die Versorgung ermöglicht.

Von diesem Druck fehlt in Deutschland allerdings jede Spur. Die Partnerorganisationen Deutscher NGOs, die im Ausland tätig sind, werden einer Unbedenklichkeitsprüfung unterzogen, bevor diese NGOs Gelder vom Auswärtigen Amt erhalten. Anfang Februar wurde öffentlich, dass das Auswärtige Amt zwei jüdisch-israelischen Organisationen, Zochrot und New Profile, die Unbedenklichkeitserklärung versagte. Die Arbeit von Zochrot, die an die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung während des Unabhängigkeitskriegs erinnern, und New Profile, die sich für Wehrdienstverweigerer in Israel einsetzen, befände sich nicht im Einklang mit den Prinzipien der deutschen Außenpolitik, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Ohne eine starke Zivilgesellschaft, wovon NGOs ein wichtiger Teil sind, gebe es keine Chance auf einen stabilen Frieden, sagte die oben zitierte NGO-Mitarbeiterin, und das werde aktiv sowohl von israelischer, amerikanischer, deutscher als auch palästinensischer Seite konterkariert.