Substanzieller Überblick

geschrieben von Gerhard Hoffmann

6. Mai 2025

Ulrich Schneiders Basiswissen zum Konzentrationslager Buchenwald

Umfangreich ist inzwischen die Reihe der Bücher, deren Inhalte sich dem früheren Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg nahe Weimar zuwenden. Neben erschütternden Zeitzeugenberichten erschienen im Laufe der Jahre nach der Selbstbefreiung der Häftlinge dieses KZ am 11. April vor 80 Jahren Romane, Biografien und eine Vielzahl von Sachbüchern, die unterschiedlichste Details des Geschehens auf dem Ettersberg in den Jahren 1937 bis 1945 behandeln.

Hier reiht sich jetzt eine Publikation des Historikers Ulrich Schneider ein: »Buchenwald. Ein Konzentrationslager«. Der Autor ist Generalsekretär der Fédération Internationale des Résistants (FIR) und war bis 2024 Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA).

Wesentliche Elemente des Lagers

Das Buch soll, so der Autor einleitend, »einen ersten substanziellen Überblick zur Geschichte dieses Konzentrationslagers vermitteln«. Es wird darauf verwiesen, dass »die Darstellung des Lagers aus der Perspektive der ehemaligen Häftlinge erfolgt«. Bemerkenswert ist das insofern, als es keine Zeitzeugen mehr gibt, die für Nachfolgende aus ihrem Erfahrungsschatz Kenntnisse vermitteln können. Schneider ist sich bewusst, nicht alle Themenbereiche zu erfassen, gibt jedoch in den acht Kapiteln einen Überblick zu wesentlichen Elementen der Geschichte dieses Lagers. Im praktischen Pocketformat ist das Buch sehr gut handhabbar, und es hilft auch, sich in der heutigen Gedenkstätte zu orientieren. Es wird anwendbares Faktenwissen vermittelt, das dazu beitragen kann, historische Urteilskraft herauszubilden. Gerade weil damit gerechnet werden muss, dass nach dem erfolgreichen Abschneiden der AfD bei den letzten Wahlen – nicht nur in Thüringen – die sogenannte Brandmauer brüchig und eine »erinnerungspolitische Wende« angestrebt wird, kommt es darauf an, Geschichtsbewusstsein zu befördern.

Ulrich Schneider: Buchenwald. Ein Konzentrationslager. PapyRossa, Köln 2025, 142 Seiten, 12 Euro

Ulrich Schneider: Buchenwald. Ein Konzentrationslager. PapyRossa, Köln 2025, 142 Seiten, 12 Euro

Mit der kurzen präzisen Beschreibung der Entwicklungsphasen des KZ Buchenwald ermöglicht der Autor die Zuordnung einzelner Ereignisse. Ein Kapitel erklärt das von der SS betriebene Prinzip der »Vernichtung durch Arbeit« und die damit verbundene Schaffung von Außenkommandos und -lagern. Das KZ Buchenwald galt im Bewusstsein der Öffentlichkeit lange Zeit als ausschließliches Männerlager. Der Verfasser weist ausführlich auf die 27 Frauenaußenlager hin, in denen mehr als 27.000 Frauen zu Zwangsarbeit gezwungen, erniedrigt und brutal ausgebeutet wurden. Schneider geht auf den Überlebenskampf und den Häftlingswiderstand in Buchenwald ein. Dabei wird insbesondere der organisierte politische Widerstand herausgearbeitet. Zitiert wird der »Häftlingskodex, auf den sich – nicht nur die politischen Häftlinge – verständigt hatten: Ihr dürft Euch nicht aufgeben und sollt mit den Kameraden um Euer Leben kämpfen! Ihr sollt keinen Unterschied zwischen Kameraden machen und allen Kameraden helfen! Ihr sollt wachsam sein gegenüber Denunzianten, gegen Kameradendiebstahl und vorbildlich sein in der Disziplin! Gegen die Feinde (und das waren die SS und deren Zuträger) sollt Ihr mit allen tauglichen Mitteln vorgehen, aktiv mit den besten Kameraden und nicht auf andere warten!« (S.76)

Ein besonderer Abschnitt behandelt das illegale Internationale Lagerkomitee als Träger des Widerstands im Lager sowie die Rolle der illegalen Internationalen Militärorganisation. Schließlich wird der Weg zur Selbstbefreiung der Häftlinge fundiert beschrieben und das politische Vermächtnis des antifaschistischen Widerstands für einen friedlichen und demokratischen Neubeginn dargestellt. Die Selbstbefreiung der Häftlinge des KZ Buchenwald am 11. April 1945 erfolgte zu einem Zeitpunkt, da die inneren und äußeren Bedingungen sich so entwickelt hatten, dass die Gefährdung von Häftlingen als äußerst gering eingeschätzt werden konnte. Durch das Internationale Lagerkomitee konnte den US-amerikanischen Truppen das Lager übergeben werden.

Unmissverständliche Beschlüsse

Im vorletzten Kapitel »Vom Umgang mit den Tätern« wird auf die strapazierte haltlose Behauptung, in Buchenwald hätte es zwei Konzentrationslager gegeben, eingegangen. Schneider verweist auf die unmissverständlichen Beschlüsse der Alliierten, im Rahmen der Entnazifizierungspolitik Internierungslager einzurichten, wofür Buchenwald und andere vorherige KZ vorgesehen waren. Diese Vorgabe führte zur Einrichtung des sowjetischen »Speziallagers 2« genauso wie andere Besatzungsmächte Internierungslager einrichteten. Deutlich wird die prinzipielle Unterscheidung zwischen dem faschistischen Konzentrationslager und dem Speziallager.

Die Überlebenden leisteten am 19. April 1945 den »Schwur von Buchenwald« mit den programmatischen Gedanken, den Nazismus mit seinen Wurzeln zu vernichten und eine neue Welt des Friedens und der Freiheit aufzubauen. Davon gehen anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung aktuelle Impulse aus. Die zu artikulieren, leistet das neue Buch einen Beitrag.