Partisan – ein Leben lang

geschrieben von Phillip Becher

4. Januar 2025

Ein Nachruf auf den Widerstandskämpfer Giacomo Notari (1927–2024)

Als Sohn einer emilianischen Bauernfamilie am 6. Dezember 1927 geboren, begann das Leben -Giacomo Notaris in ärmlichen Verhältnissen, die für das damalige Landleben Italiens typisch waren. Der Faschismus zog tiefe Spuren in seinem Leben: Sein Onkel Tullio Correggi wurde als Kommunist vom faschistischen Regime zunächst in die Verbannung geschickt und später getötet. Sein älterer Bruder -Giuseppe fiel wenige Wochen vor Kriegsende 1945 als Partisan im Kampf für die Befreiung Italiens. Giacomo Notari selbst schloss sich 1944 der Resistenza an und erhielt den Decknamen »Willi«. Hier wirkte er unter anderem hinter feindlichen Linien, um Truppen der von Mussolini geführten Marionettenrepublik von Salò zur Desertion zu bewegen.

Als er im März 2015 im Club SO 36 in Berlin-Kreuzberg seine von Steffen Kreuseler ins Deutsche übertragenen Memoiren vorstellte, erinnerte sich Giacomo Notari auch an die ihn und viele andere seinerzeit antreibende Hoffnung auf eine nach der Befreiung in ganz Europa kommende sozialistische Gesellschaft. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Andere Erfolge der Resistenza auf dem Weg hin zu dem von ihm ersehnten »anderen Leben« erfüllten sich, so vor allem Italiens bis heute gültige fortschrittliche Verfassung mit ihren weitreichenden demokratischen und sozialen Rechten. Sie ist der Meloni-Regierung in Rom ein Dorn im Auge. Menschen wie Giacomo Notari haben die Werte und Zielstellungen der aus dem Widerstand geborenen Verfassung mit Leben gefüllt.

Giacomo Notari (r.), hier mit dem Historiker Matthias Durchfeld (l.), als Zeitzeuge bei den Sentieri Partigiani

Giacomo Notari (r.), hier mit dem Historiker Matthias Durchfeld (l.), als Zeitzeuge bei den Sentieri Partigiani

Anfang der 1990er-Jahre – die heutige Regierungschefin war gerade in die Reihen der neofaschistischen Jugendfront eingetreten – setzte pünktlich zum Ende der Ersten Republik in Italien eine bis heute andauernde geschichtspolitische Kontroverse ein, die auch das historische Erbe und den tagespolitischen Stellenwert des Antifaschismus betrifft. Giacomo Notari war auch hier ganz Partisan: 2002 zum Präsidenten der Reggianer Provinzorganisation des Partisanenverbandes ANPI gewählt, half er, die Leistungen seiner Generation und ihrer Vorkämpfer*innen gegen alle Verunglimpfungen von rechts zu verteidigen.

Am 27. November 2024 ist Giacomo Notari, nur wenige Tage vor seinem 97. Geburtstag, in seinem Heimatdorf Marmoreto in den Bergen des Apennin verstorben. In den Erinnerungen vieler hunderter, wahrscheinlich tausender vor allem junger Menschen aus unterschiedlichen Ländern wird er fortleben:

Giacomo Notari – lebenslanger Einsatz für ein antifaschistisch-demokratisches Italien. Fotos: Istoreco

Giacomo Notari – lebenslanger Einsatz für ein antifaschistisch-demokratisches Italien. Fotos: Istoreco

Auf einstigen Partisanenpfaden vermittelte er diesen Wander*innen in den letzten Jahrzehnten in der Gegend um Reggio Emilia seine Lebensentscheidung mit bodenständiger Bescheidenheit und aus tiefer Überzeugung. Giacomo Notari hat hierbei unzählige Menschen mit seinen Berichten sowie seinem Wesen beeindruckt und ihnen den Antifaschismus als Gegenwartsaufgabe auf eine Weise nähergebracht, die durch keine Geschichtsstunde ersetzt werden kann. Er wird auch dank dieses Einsatzes für die seit 1993 stattfindenden Sentieri Partigiani, einem Eckpfeiler der Geschichtsarbeit des Reggianer Instituts Istoreco, unvergessen bleiben.

Der 80. Jahrestag der Befreiung Italiens vom Faschismus am 25. April 2025 wird ohne die Gegenwart des einstigen Garibaldi-Brigadisten namens »Willi« und vieler seiner inzwischen ebenfalls verstorbenen Genoss*innen auch ein Tag der Wehmut sein. Gegen den Geschichtsrevisionismus (nicht nur) der Regierung Meloni zu kämpfen, ist das Mindeste, das die heutige Generation von Antifaschist*innen den Kämpfer*innen schuldig ist – damit die Blume des Partisanen gedeihen kann, der für unsere Freiheit lebte.

Giacomo Notaris Memoiren sind im Buchhandel erhältlich: »Ihr Partisanen, nehmt mich mit Euch! Ein Bericht aus der Resistenza« (Köln: PapyRossa 2021, 3. Aufl., 12 Euro)

sentieripartigiani.it/de
istoreco.re.it/deutsch