Erinnern und Geschichte
12. März 2025
Eindrücke von den Gedenkveranstaltungen zur Befreiung von Auschwitz
Das vom Internationalen Auschwitz Komitees (IAK) verantwortete Programm war in jeder Hinsicht eindrucksvoll. Leider konnte dessen Präsident Marian Turski aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Berlin reisen. Seine Botschaft wurde von Hannah Lessing, der österreichischen Vertreterin im IAK, verlesen. Natürlich sprach Christoph Heubner (Geschäftsführer des IAK), aber auch eine ehemalige VW-Auszubildende, die an einem Gedenkprojekt in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte teilgenommen hatte. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach als Hausherr ebenso wie Bundeskanzler Olaf Scholz, der die Hauptrede hielt. Ergänzt wurden diese Ansprachen durch eindrucksvolle musikalische Beiträge. Den offiziellen Charakter der Veranstaltung macht die Anwesenheit von Offiziellen aus Politik und Zivilgesellschaft sowie des diplomatischen Corps deutlich.
»Nie wieder!« weiter aktuell
In allen Redebeiträgen wurde überzeugend angesprochen, dass die Losung »Nie wieder!« auch heute noch aktuell sei. Zwar fiel der Name der entsprechenden Partei nicht, aber allen war klar, dass heute Widerstand gegen die AfD und ihre Geschichtsrevision zu leisten sei. Zudem wurde die Bedeutung der Zeitzeugen, von denen nur noch eine Handvoll lebt – Margot Friedländer war anwesend –, und ihrer Erinnerungen immer wieder betont.
Positiv aufgefallen ist auch, dass Bundeskanzler Scholz in seiner Ansprache daran erinnerte, dass der 27. Januar der Gedenktag für alle Verfolgten des NS-Regimes sei. Er benannte die ganze Bandbreite der Opfergruppen, einschließlich derjenigen, die von den Nazis als »Asoziale« ausgegrenzt und stigmatisiert wurden.
Überraschend war jedoch, worüber bei dieser Veranstaltung faktisch nicht gesprochen wurde. Obwohl an diesem Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz gedacht wurde, blieb es dem Bundeskanzler in seiner Abschlussrede vorbehalten, in einem Nebensatz darauf hinzuweisen, dass es die Rote Armee gewesen ist, die das Lager befreit hat. Jedoch kein Wort des Dankes für die Befreiung oder an die Befreier, als wenn diese gar nicht stattgefunden hätte. Dass der diplomatische Vertreter der Russischen Föderation nicht zu diesem Festakt eingeladen war, sei nur am Rande vermerkt.
Was ebenfalls überraschte, ist die Ignoranz gegenüber dem dritten Teil von Auschwitz, dem IG-Farben-Lager Monowitz. Als wenn es das gar nicht gegeben hat, wurde es weder erwähnt, noch mit irgendeiner Bemerkung darauf verwiesen, dass tausende Häftlinge von Auschwitz in den letzten Jahren und Monaten des Krieges Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie leisten mussten. Ist die Erinnerung an Kriegsproduktion und das damit verbundene Profitinteresse der Unternehmen in der »Zeitenwende« nicht mehr angesagt?
Widerstandswille der KZ-Häftlinge
Dankenswerterweise wies Christoph Heubner in seiner letzten Intervention noch auf das umgekehrte B in »Arbeit macht frei« als Symbol für den Widerstandswillen der Häftlinge hin. Wenn Auschwitz für nachgeborene Generationen heute etwas bedeuten soll, dann nicht nur ein abstraktes »Nie wieder!«, nicht nur die nicht greifbare Dimension des industriellen Massenmordes an mehr als einer Million Menschen, sondern auch ein »Widerstand ist möglich«, selbst unter den extremsten Bedingungen der faschistischen Konzentrationslager. In dieser Hinsicht ist Ministerpräsident Weil zuzustimmen, der betonte, dass unser Grundgesetz und die darin enthaltenen Werte nur möglich wurden durch die Zerschlagung der faschistischen Barbarei. Er vergaß nur, dass es alle Kräfte der Anti-Hitler-Koalition waren, nicht nur die militärischen Einheiten der Alliierten, sondern auch Frauen und Männer aus dem antifaschistischen Widerstand – und zu ihnen gehörten die Häftlinge der »Kampfgruppe Auschwitz« und andere Widerstandsgruppen im Lager.
Diese geschichtspolitische Linienführung prägte auch die umfangreiche mediale Berichterstattung am 27. Januar selbst. Während das ZDF Auschwitz-Birkenau als Kulisse für ihre Nachrichtensendung »Heute Journal« missbrauchte, behauptete die »Tagesschau«, dass Vertreter der Russischen Föderation seit dem Krieg in der Ukraine nicht mehr willkommen seien. Man »vergisst« offenbar, dass schon 2020 Polen explizit die Russische Föderation von der Teilnahme an dem Gedenken ausgeladen hat. Und wer erwartet hatte, dass an sichtbarer Stelle die Sklavenarbeit für den IG-Farben-Konzern und andere Rüstungsbetriebe benannt worden wäre, wurde enttäuscht. Es blieb den medialen »Nischenprogrammen« vorbehalten, zum Beispiel das eindrucksvolle Theaterstück von Peter Weiss »Die Ermittlung« – auf der Grundlage der Prozessunterlagen des Auschwitz-Prozesses – zu zeigen.
Öffentliche Gedenkpolitik ist unmittelbar verbunden mit geschichtspolitischer Perspektive. Es bleibt die Aufgabe von Aktivisten in der Tradition der Überlebenden der Lager und des antifaschistischen Kampfes, hierauf Einfluss zu nehmen.
Dass der 27. Januar 2025 als 80. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz eine besondere Aufmerksamkeit erfahren würde, war zu erwarten. Die zentrale Gedenkveranstaltung, an der auch Vertreter der Bundesregierung und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) teilnahmen, fand am 27. Januar am historischen Ort, in Auschwitz-Birkenau vor dem Eingangstor des früheren Vernichtungslagers, statt. Bereits zuvor hatte es in Berlin eine gemeinsame Gedenkveranstaltung des Internationalen Auschwitz Komitees (IAK) mit Bundeskanzler Olaf Scholz als Redner in der niedersächsischen Landesvertretung gegeben. Für eine entsprechende Öffentlichkeit sorgte eine Liveübertragung durch den Fernsehsender Phoenix und im ZDF.