Berufsverbote sollen isolieren

12. März 2025

Lisa Poettinger setzt sich in Bayern für Klimaschutz, Antikapitalismus und Antifaschismus ein und ist deswegen mit einem Berufsverbot belegt worden.

antifa: Das bayerische Kultusministerium hat im Februar per Schreiben verfügt, dass du dein Lehramtsreferendariat nicht antreten darfst. Wie kam es dazu?

Lisa Poettinger: Um die Situation besser zu verstehen, ist es wichtig, den Kontext zu betrachten. Ich bin seit mehreren Jahren in der Klimabewegung in München aktiv und habe an verschiedenen Bündnissen und Protesten, wie gegen die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) und beim antikapitalistischen Klimatreffen, teilgenommen. In der Vergangenheit gab es immer wieder Repressionen. So erhielt ich 2021 lächerliche Gefährderansprachen, nachdem ich Sticker in meinem Rucksack in der Nähe der IAA hatte. Ich wurde daraufhin eineinhalb Stunden festgenommen, und es wurde mir mitgeteilt, dass mein Verhalten negative Auswirkungen auf meine berufliche Zukunft haben könnte. Diese schikanösen Einschüchterungsversuche sind mir und anderen aus dem Kreis des Klimatreffens seit langem bekannt, wir haben auch wiederholt unerwünschten Kontakt mit Zivilpolizist:innen auf Demos erlebt. Ich sehe hier eine gewisse Kontinuität, besonders in Anbetracht der aktuellen politischen Entwicklungen und den Rufen nach einer autoritären Wende.

Ich hatte mich für mein Referendariat angemeldet und fast alle meine Staatsexamen im letzten Jahr erfolgreich abgelegt, lediglich das Fach Ethik fehlte noch. Am 22. November 2024 erhielt ich dann ein Schreiben, in dem mir mitgeteilt wurde, dass mir der Vorbereitungsdienst voraussichtlich versagt wird. Die Begründung bezog sich unter anderem auf Äußerungen, in denen ich von »Profitmaximierung« sprach, und mein Engagement beim antikapitalistischen Klimatreffen, das seit einem Jahr als Hinderungsgrund für angehende Staatsbedienstete in Bayern aufgeführt wird. Ich habe all dies in einem Fragebogen angegeben, ebenso wie meine beiden Strafverfahren. Zusätzlich wurde mir vorgeworfen, auf Twitter oder X Beiträge mit den Schlagworten »Systemchange« und »Climate Change« geteilt zu haben, was meine charakterliche Eignung in Frage stellen würde. Am 16. Dezember 2024 haben wir, also mein Anwalt und ich, ein Schreiben an das Staatsministerium geschickt, in dem wir auf diese Vorwürfe eingegangen sind. Die Behörde benötigte bis zum 10. Februar, um das endgültige Berufsverbot auszusprechen.

Ich spreche von einem Berufsverbot, da ich meine Ausbildung nicht abschließen kann. In Bayern hat der Staat das Monopol auf den Abschluss der Lehramtsausbildung, was bedeutet, dass ich in staatlichen Schulen nicht unterrichten kann. Sollte ich an einer privaten Schule unterkommen, wäre die Bezahlung weit geringer, da ich nicht vollständig qualifiziert bin. Am 17. Februar, dem Tag, an dem mein Referendariat hätte beginnen sollen, habe ich mit meinem Anwalt einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung eingereicht und wir bereiten eine Hauptklage vor, falls dies nicht erfolgreich sein sollte.

antifa: Du setzt dich für Klimaschutz, Antikapitalismus und Antifaschismus ein. Was ist deiner Meinung nach den Behörden in Bayern besonders ein Dorn im Auge?

Lisa PoettingerFoto: privat

Lisa Poettinger
Foto: privat

L. P: Ich denke, dass sich die Behörden besonders auf mich konzentrieren, weil ich eine relativ große Reichweite in den sozialen Medien habe. Zudem bin ich nicht nur theoretisch aktiv, sondern engagiere mich auch praktisch zusammen mit meiner Gruppe. Im Vergleich zu anderen Klimagruppen sind wir relativ stark und aktiv, gehen regelmäßig auf die Straße und organisieren Widerstand. Zum Beispiel haben wir in ärmeren Vierteln an die Haustüren geklopft und dort für unsere Anliegen geworben oder unter Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr Mitstreiter für den Klimastreik gewonnen. Das stellt den Status quo in Bayern natürlich in Frage. Kürzlich gab es auch Berichte, dass die Polizei künftig Demonstrationen, die sich gegen die Politik der Union richten, gesondert überwachen möchte. Das zeigt, dass es hier eine besondere Sensibilität gibt, als ob man den König nicht kritisieren dürfe. Darüber hinaus erleben wir bundesweit einen reaktionären Angriff auf die Zivilgesellschaft, was sich auch in meinem Berufsverbot widerspiegelt.

antifa: Auffällig ist, dass sich in dem Schreiben fast ausschließlich auf Bewertungen des Verfassungsschutzes bezogen wird. Kann dieser in deinen Augen als seriöse Quelle gelten und weshalb möglicherweise auch nicht?

L. P: Der Grund, warum wir Ronen Steinke als ersten Journalisten kontaktiert haben, um über dieses Berufsverbot zu berichten, liegt darin, dass er ein fundiertes Buch über den Verfassungsschutz geschrieben hat. Wir konnten uns also sicher sein, dass er weiß, wie man das einordnen muss. Viele Menschen denken ja, wenn etwas vom Verfassungsschutz kommt, dass dies eine völlig seriöse Behörde ist, die damit eine allumfassende Autorität hat. Wenn man sich jedoch genauer damit befasst, wie der Verfassungsschutz agiert oder agierte, fällt auf, dass er massiv in die NSU-Morde verwickelt war und am liebsten Politik gegen Linke macht. Dadurch wird offenbar, dass der Verfassungsschutz eine politische Instanz ist und keine neutrale wissenschaftliche Quelle.

In unserem Fall wird es besonders absurd: Wir haben ja nur Auszüge aus dem Schreiben im Verfahren gegen mich veröffentlicht. Es gab zum Beispiel eine Stelle, die ich an das Kultusministerium geschickt habe, in der ich darauf hingewiesen habe, dass Klassenkämpfe eine historische Realität sind. Als Beispiele habe ich die Französische Revolution, den Spartakusaufstand und die Räterepublik genannt. Von der Behörde kam dann sinngemäß die Rückmeldung, dass mein Verweis auf die Revolutionen beweisen würde, dass ich den Klassenkampf mit Gewalt assoziiere, und Gewalt sei im Rechtsstaat nicht akzeptabel. Sie haben so getan, als wäre meine Beobachtung von Klassenkämpfen als historische Realität automatisch eine Aussage, die meine Gewaltbereitschaft belegte. Das ist wirklich absurd und einfach unwissenschaftlich!

antifa: Was hast du bisher für Unterstützung erfahren, und wie gehst du nun ganz persönlich mit der Situation um?

L. P: Am Anfang war es mir total wichtig, aus dieser Vereinzelung herauszukommen. Was ein Berufsverbot oder Repressionen allgemein bewirken, ist, dass sie Menschen isolieren, vereinzeln und an den Pranger stellen sollen. Gerade als Bewegung, die einen kollektiven Grundgedanken und kollektive Ziele hat, ist es wichtig, solche Situationen kollektiv zu bearbeiten. Das zeigt sich zum einen darin, dass es einen Solikreis gibt, der im Konsens entscheidet. Ich agiere also nicht nur als Individuum, sondern auch als Person, die mit einem Kollektiv gesprochen hat, wie man jetzt vorgehen sollte. Zum anderen war es mir wichtig, Betroffene kennenzulernen: Wie fühlen sie sich? Wie war das bei ihnen? Das sind Menschen aus den 1970er Jahren, die damals betroffen waren, sowie Personen, die in den letzten Jahren ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Das hat mir total gutgetan. Einige frühere Berufsverbotbetroffene haben mir zwei dicke Bücher geschenkt, sodass ich noch viel Lesestoff vor mir haben.

All diese Unterstützung hat mir geholfen, die politische Komponente anzugehen und auch für mich ganz persönlich zu reflektieren, warum ich mich gerade isoliert fühle oder welche Erfahrungen ich mache, die die Menschen um mich herum nicht machen. Man ist jetzt immer die Person, die das mit sich herumschleppen muss. Viele schöne Nachrichten haben mich sehr motiviert, darunter auch Fotos mit und ohne Pyros aus verschiedenen Orten, sogar von Menschen, mit denen ich seit Jahren nicht mehr gesprochen habe. Ich bin dankbar für die Unterstützung bei der Pressearbeit und für meine Anwält:innen, die sich um die juristischen Belange kümmern, sowie dafür, dass die Gewerkschaft den Rechtsschutz zahlt. Auch für die vielen öffentlichen Posts, die zeigen, dass das nicht in Ordnung ist und dass wir hier nicht nur die Meinungsfreiheit verteidigen, sondern auch mich als Person, bin ich dankbar. Das tut total gut und hilft mir, angesichts des Ganzen relativ stark zu bleiben. Nicht zu vergessen die praktischen Dinge, so hat mein Mitbewohner in einer besonders anstrengenden Woche meine Wäsche für mich gemacht.

Auf die Frage, wie ich persönlich mit der Situation umgehe, kann ich auf Erfahrungen zurückgreifen. Das Wichtigste, was ich vor einem Jahr gelernt habe, war während eines Shitstorms wegen einer Demo gegen Rechts, bei der ich als Versammlungsleiterin tätig war. Manche fanden die Demo zu links, weil wir auch die Grünen und die SPD für ihren Rechtsruck kritisiert haben. In solchen Situationen ist es wichtig, das gemeinsam zu kollektivieren, da sich sonst alle auf eine Person einschießen und an ihr ein Exempel statuieren wollen. Letztendlich ist es ja ein Angriff gegen die gesamte Bewegung. Daher ist es besonders wichtig, dass die betroffene Person nicht allein gelassen wird, sondern ein solidarisches Netzwerk hinter sich hat, dass Verbündete Verantwortung übernehmen. Sie müssen auch wissen, dass sich der Angriff gegen uns alle richtet. Außerdem war es nötig, dass ich den Leuten in meiner Situation sagen konnte: »Ich bekomme jetzt richtig viel Presseaufmerksamkeit, was cool ist, aber bitte sagt mir Bescheid, wenn es mir zu Kopf steigt.« Es ist wichtig, dass die Leute dann auch ein Korrektiv haben.

Das Gespräch führte
Andreas Siegmund-Schultze.