Mut zur Auseinandersetzung
6. Mai 2025
Projekt zu den Endphasenverbrechen in Sachsen: Letzte Tage im Zweiten Weltkrieg
Mit der Einnahme erster deutscher Städte durch die Alliierten und den Erfolgen der Roten Armee an der Ostfront, die nun vor Warschau stand, begann das letzte Kapitel der NS-Herrschaft in Europa. Aufgrund der ausweglosen militärischen Situation an den Fronten versuchte das faschistische Regime, seine Herrschaft durch Gewalt zu stabilisieren. Diese richtete sich vor allem gegen Zivilist:innen und Soldaten, die der Wehrkraftzersetzung oder der Fahnenflucht beschuldigt wurden, KZ-Häftlinge auf Todesmärschen sowie Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangene aus anderen Ländern. Diese Verbrechen werden auch als sogenannte Endphasenverbrechen bezeichnet.
Nach dem gescheiterten Attentat im Juli 1944 wurde die Ahndung von Straftaten innerhalb der Wehrmacht, die als politisch eingestuft wurden, an die sogenannten Sondergerichte übergeben. Diese Gerichte zeichneten sich dadurch aus, dass ihre Urteile vor allem politischer Natur waren und der Umsetzung der Interessen der NSDAP dienten. Ab Februar 1945 wurden die Befugnisse dieser Sondergerichte auch auf Zivilist:innen ausgeweitet. Insbesondere ab Winter 1944 nahmen die Verurteilungen aufgrund von »Wehrkraftzersetzung« oder Desertionen drastisch zu. Zudem verübten einzelne SS-Verbände immer wieder Verbrechen an Zivilist:innen, die versuchten, Soldaten vom Kampf abzubringen, zu früh weiße Fahnen an ihren Häusern anbrachten oder sich weigerten, bei der Errichtung von Befestigungsanlagen mitzuwirken.
Ein weiteres tragisches Kapitel der letzten Kriegsmonate war die Räumung der Konzentrationslager und ihrer Außenlager. Die Häftlinge wurden auf sogenannte Todesmärsche geschickt. Die SS verfolgte dabei zwei Ziele: Zum einen wollte sie weiterhin kostengünstige Arbeitskräfte für die Kriegswirtschaft nutzen, zum anderen versuchte sie, die Verbrechen, die in und um die Lager begangen wurden, zu vertuschen. Trotz zahlreicher Zeugnisse von Überlebenden, Tagebuchaufzeichnungen und Augenzeugenberichten, die uns erste Einblicke in diesen Teil der Endphasenverbrechen ermöglichen, bleibt es äußerst schwierig, die genauen Geschehnisse vollständig zu rekonstruieren. Die Erinnerungen sind oft fragmentarisch, und die tatsächlichen Ereignisse lassen sich nur schwer nachvollziehen. Auch die Nachforschungen zu Flucht und Mord sind von großen Schwierigkeiten geprägt. Friedhöfe und Grabstätten liefern zwar wichtige Hinweise, doch die Informationen bleiben spärlich, sodass die Aufarbeitung schwierig bleibt. Dennoch helfen uns diese Quellen, ein grobes Bild davon zu gewinnen, welche Routen die verschiedenen Todesmärsche durch Sachsen nahmen und wie präsent sie zu Kriegsende auch für die deutsche Bevölkerung waren.
Seit September 2024 arbeiten wir an einem Projekt, das sich mit diesen Endphasenverbrechen in Sachsen beschäftigt. Neben der Auseinandersetzung mit dem Vorwurf der Wehrkraftzersetzung, Desertation und Verbrechen gegenüber Zivilist:innen liegt das Hauptaugenmerk auf den sogenannten Todesmärschen. Diese sollen auf der Website gedenkplaetze.info aufgezeigt und so dokumentiert werden. Die Darstellung der Todesmärsche stellt uns vor verschiedene Herausforderungen. Zum einen möchten wir diese so detailliert wie möglich darstellen, müssen aber auch aufgrund der technischen Voraussetzungen und Vermittelbarkeit reduzieren.
Das Projekt soll vor allem Schüler:innen, Lehrer:innen und anderen historisch Interessierten dienen und sie dazu ermutigen, sich mit ihrer Region auseinanderzusetzen und mehr über dieses Kapitel der Geschichte zu erfahren.
Die bisherigen Darstellungsformate auf der Website waren für dieses Thema nicht geeignet, weshalb wir in Zusammenarbeit mit dem Afeefa Kollektiv ein umfangreiches Redesign der Seite vorgenommen haben. Demnächst wird es unter der neuen Kategorie »Todesmärsche« die Möglichkeit geben, diese detaillierter einzusehen.
Mit diesem Projekt möchten wir einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten und die Opfer dieser Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten lassen. Wir laden alle ein, sich über die Seite zu informieren und einen tieferen Einblick in dieses Kapitel der Geschichte zu erhalten.
Gleichzeitig möchten wir Vereine und Initiativen ermutigen, Akteur bei gedenkplaetze.info zu werden, auch könnt ihr uns gerne eure Rechercheergebnisse zu einzelnen Orten mitteilen, und wir pflegen diese dann ein, wir sind für jedes Engagement sehr dankbar.