Immer weiter so!
21. September 2018
Ein Dokumentarfilm über Esther Bejaranos Konzertreise nach Kuba
»Wo der Himmel aufgeht« ist eine Mischung aus Konzert- und Musikfilm, einem Portrait von Esther Bejarano, sowie Blicken auf Kuba und der dortigen Rezeption von Esthers Geschichte:
Im Januar 2017 erfüllt sich die Ehrenvorsitzende der VVN-BdA, Esther Bejarano, einen lang gehegten Wunsch: Sie besucht Kuba. Sie fährt nicht als Touristin auf die Karibikinsel, sondern gibt auf Einladung des kubanischen Musikinstituts mit der Band Microphone Mafia Konzerte in Havanna, Camagüey und Santa Clara.
Als Jüdin und Überlebende von Auschwitz interessiert Esther insbesondere, wie jüdische Menschen auf Kuba leben und inwieweit sie mit Antisemitismus konfrontiert sind. Außerdem will sie sich »überzeugen, dass es noch immer einen Sozialismus gibt«, wie sie beim Gespräch in der RAP-Agentur berichtet.
Der Regisseur versteht es, die Impressionen der vielschichtigen Begegnungen der Shoa-Überlebenden und ihrer Band mit kubanischen Künstlern, dem Publikum sowie der jüdischen Gemeinde einzufangen. Die sich aus den diversen Konstellationen ergebenen Fragestellungen werden mal konkret in Interviews mit den Beteiligten angesprochen, meistens aber schimmern sie zwischen den ‚Zeilen‘ hindurch: Welche Bedeutung hat die Tour einer antifaschistischen Gruppe auf Kuba? Was kann Esther von ihrer Geschichte vermitteln, welche Bedeutung haben Ihre Erfahrungen und der Antifaschismus, für den sie steht, für die kubanische Gesellschaft? Lassen die Konzerte und die Reaktion des Publikums darauf Rückschlüsse zu?
Diese Fragen bilden ein Geflecht zwischen den Bildern, der Musik, den Texten und deren Aufnahme durch das Publikum, das die Worte auf der Bühne zwar selbst nicht versteht, dem sich dennoch deren Sinn in Einverständnis zu vermitteln scheint. »Die Menschen sind hier sehr aufgeschlossen, sehr respektvoll«. So drücken es Kutlu und Rossi aus, die im John Lennon-Park, neben der Statue des britischen Künstlers über ihre Rassismuserfahrungen in Deutschland sprechen, für die sie im Hip Hop den geeigneten künstlerischen Ausdruck gefunden haben. Doch der Reihe nach:
Der Film beginnt mit einem Hang zum Kitsch: Mit dem Titel – der einem kölschen Songtext entnommen ist – geht auf der Leinwand die Sonne über dem Malecón, der Uferpromenade Havannas, auf. Der Mond über der Altstadt erscheint und die Tonspur leitet schon die ersten abendlichen Konzertvorbereitung ein. Man sollte sich von dieser kurzen Einleitungssequenz aber nicht abschrecken lassen. Sie ist auf bestechende Weise funktional: das Publikum weiß ob der stereotypen Kuba-Bildtradition direkt, wo es sich befindet, die Bild-Titel-Dopplung ist unschlagbar augenfällig und die möglicherweise evozierte Kuba-Romantik schnell gebrochen von Bildern heller Scheinwerfer und Konzerttechnik, die aufgebaut wird; von Esther und der Band, die herumsitzen oder -laufen, warten, Mikrophone aufstellen und testen, auf die Uhr sehen oder mit dem Handy hantieren.
Ein junger schwarzer Mann mit Basecap, Vorsitzender der RAP-Agentur, kündigt das ganz besondere Konzert einer Frau an, die Vorbild sei und den Terror des Faschismus erlebt habe. Unter Applaus betritt Esther die Bühne. Der Applaus wird noch stärker – die Herzen des Publikums sind ihr nun endgültig sicher – als die Übersetzerin ihre Worte: »Wir möchten dieses Konzert Fidel Castro widmen« ins Spanische übersetzt.
Als erstes Lied spielen sie Schir La Shalom, das israelische Friedenslied, das in gewohnter MicrophoneMafia-Manier mit aktuellen, gerappten Texten zu Krieg und Frieden kombiniert wird.
Bei dem Besuch der jüdischen Gemeinde in der Synagoge Havannas werden zunächst gemeinsam die kubanische und die israelische Hymne gesungen, bevor Esther ihre Band als eine Familie aus mehreren Religionen vorstellt und den Gemeindemitgliedern mitgibt: »Ich wünsche euch, dass ihr weiter so frei leben könnt, wie jeder das wünscht.«
»Ihr Besuch ist eine Segnung für die Gemeinde« sagt der Zweite Vorsitzende der Hebräischen Gemeinde Kubas nach dem Gebet an einem Mahnmal für die Opfer der Shoah auf dem jüdischen Friedhof. Die Erinnerung an die Gräuel sei wichtig, denn die Freiheit und Sicherheit, in der die etwa 1200 Juden in Kuba leben können, wie andere religiöse Menschen auch, sei nicht selbstverständlich. In den meisten Ländern müssten z.B. die Synagogen polizeilich geschützt werden, bei ihnen sei das nicht nötig.
Ein ähnliches Fazit zieht der junge Journalist ‚Jorgito‘ (den der Regisseur bereits in »Die Kraft der Schwachen« portraitierte), der Esther für die Regionalzeitung adelante interviewt. »Du hast mir geholfen zu verstehen, warum wir das, was wir in Kuba haben, hüten und weiter für eine bessere Welt kämpfen müssen: damit sich solche Episoden nicht wiederholen.«
Der Film endet mit einem Konzertausschnitt des Titelsongs: »Wann geht der Himmel auch für mich wieder op? – Wann scheint die Sonne wieder? Sind wir denn nicht alle Brüder?« und entlässt uns mit der guten Laune der Band, des Publikums und Esthers Worten »Immer weiter so!«. Den Optimismus, den diese Konstellation vermittelt, können wir aktuell gut gebrauchen.
Nächste Aufführungstermine
9.9. Dortmund, 12:45 Uhr, Filmzelt auf dem UZ-Pressefest, Revierparl
Wischlingen
18.9. Bonn, 19:00 Uhr, KULT 41, Hochstadenring 41
20.9. Mainz, 20.30 Uhr, CineMayence, Schillerplatz
27.9. Chemnitz, 19:30 Uhr, Alternatives Jugendzentrum (AJZ), Chemnitztalstraße 54
07.11. Trier, 19 Uhr, Broadway, Paulinstrasse 18
14.11. Bochum, 18 Uhr, Bahnhof Langendreer
15.11. Düsseldorf, Metropolis
Der Film ist bei der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, Maybachstr. 159, 50670 Köln erhältlich oder im Online-Shop